Schmalkalden. Die Schmalkalder Heinrich-Heine-Bibliothek wird jetzt als herausragend in Thüringen ausgezeichnet.

Gleich hinter der Schmalkalder Stadtkirche St. Georg ist die Heinrich-Heine-Bibliothek angesiedelt. Sie ist zentral gelegen – und wird von Menschen aller Altersklassen besucht und genutzt. Coronakonform natürlich. Diese Bibliothek steht für das Morgen, für die Zukunft: Digitale Nutzung ist einer der Schwerpunkte. Jugendliche arbeiten in der Kreativwerkstatt. Das Projekt „LOAD“ verbindet Geschichte und Zukunft, Kreativität und Technik. All das ist Grund genug, in diesem Jahr die Schmalkalder Bibliothek als Vorzeige-Einrichtung des Bibliotheksverbandes mit dem Hauptpreis in Höhe von 10.000 Euro der Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen zu würdigen.

Nach dem Lehramtsstudium erfolgreich umgesattelt

Bibliothekschefin Dorit Reum ist eine gebürtige Bad Salzungerin. Sie hat einst in den frühen 1990ern Lehramt für Mathematik und Physik studiert; dann aber wegen Lehrkräfteüberflusses umgesattelt und als Bibliotheksassistentin angefangen – und „meine Berufung gefunden“. Seit 2017 ist Reum Leiterin und auch Ausbilderin in der Schmalkalder Bibliothek. Jetzt kann sie einen großen Erfolg mit ihrem Team feiern: Die Schmalkalder Einrichtung will mit den 10.000 Euro vor allem der Weg in die digitale Zukunft weiter ebnen.

Bibliothek in Zeiten von Corona, heißt: Reum und ihre Mitarbeiter bauen darauf, unter erschwerten Bedingungen möglichst viel zu ermöglichen: Das ist das Aha-Erlebnis, das sich beim Vor-Ort-Termin immer wieder bestätigt. Bücher und all die anderen Medien – vom Kinderspiel bis zum Verleihfilm – gehen nach der Rückgabe in der Bibliothek erst einmal in Quarantäne. 72 Stunden dauert sie. Für das Team bedeutet das Mehrarbeit: „Jedes Medium muss jetzt drei Mal in die Hand genommen werden: zur Rücknahme, dann um den Status des Mediums zu ändern, dass es in der Quarantäne ist – und noch mal, um den Status nach drei Tagen dahingehend zu ändern, dass es wieder entleihbar ist“, sagt Dorit Reum.

Für die Besucher ist das Angebot fast so umfangreich wie immer. Der Betrieb läuft mit Abstand. Mit Masken. Mit einem Empfangstresen hinter Plexiglasscheiben. Mit Sprühfläschchen für die Handhygiene. Und mit weniger Schließfächern als in normalen Zeiten. Der Zugang wird wie im Einzelhandel über Warenkörbe kontrolliert. In der Mittagszeit ist derzeit für den normalen Besucherverkehr geschlossen. Dann können Menschen Medien ausleihen, die eine Maskenbefreiung haben – oder es werden Schulklassen ins Haus gelassen, die dann keinen Kontakt zu anderen Nutzern haben. „So wird es bis Ende des Jahres auf jeden Fall sein – und dann sehen wir weiter“, sagt die Bibliothekschefin.

„Unsere Besucher sind vorsichtiger geworden“, schätzt Reum ein. Körperlich Abstand halten auf 700 Quadratmeter Bibliotheksfläche auf zwei Etagen bedeutet aber keineswegs sozialer Distanz. Das spiegelt sich in dem herzlichen Klima wider.

Die Stadt- und Kreisbibliothek Schmalkalden arbeitet eng mit Stadt- und Kreisarchiv Schmalkalden zusammen. Das macht sich vor allem auch bei den zeitgeschichtlichen Projekten bemerkbar, so zum Leben in der DDR und zum Spannungsbogen von 30 Jahre friedliche Revolution bis zum Neuanfang 1989/90 hin zur Einheit.

Jugendliche beschäftigen sich mit den Umbrüchen in der Region

Die Zusammenarbeit hat auch mit der Struktur zu tun: Bibliothek, Archiv und neun weitere Einrichtungen gehören zum Zweckverband Kultur des Landkreises Schmalkalden-Meiningen. Früher war die Bibliothek über die ganze Stadt verteilt, erzählt sie. „Alles sehr beengt und sehr alt“. Das Haus, in dem die Bibliothek im jetzigen Zustand seit 1994 untergebracht ist, war zu DDR-Zeiten eine Berufsschule. Der Gewölbekeller, der zum Anwesen gehört, kann leider nicht für Bibliotheksveranstaltungen genutzt werden.

„Unsere großen Herausforderungen aber sind ganz andere: Die Technik wird immer moderner, aber die Infrastruktur bleibt teilweise zurück. Unser großes Glück ist in diesem Jahr, für das Projekt ‘Vor Ort für alle’ Fördermittel aufgetan zu haben“, sagt sie. Die 25.000 Euro fließen in die Modernisierung der unteren Etage, einschließlich neuer Datenkabel und neuer Elektrik. Gast-Wlan gibt es seit 2019. „Das wird gerne genutzt – und dadurch funktioniert auch unser Angebot, dass hier im Haus kostenlos online 500 Zeitschriften gelesen werden können, sehr gut.“ Auch das sei ein Förderprojekt des Landes Thüringen in diesem Jahr, sagt sie. Damit soll die „Aufenthaltsqualität in der Bibliothek verbessert“ werden. Beantragt wurde dies vor Corona. „Jetzt besteht die Herausforderung , es trotzdem umzusetzen“, sagt Dorit Reum. Ein neues Sicherungssystem soll bis zum Jahresende kommen… Viel zu tun also. „Auch dafür muss jedes Medium noch einmal in die Hand genommen werden“, sagt die Bibliothekschefin.

Zum Auftrag gehören Bildung und Freizeitgestaltung

Zwei Fünftel der Nutzer sind Kinder und Jugendliche; 25 Prozent der erwachsenen Nutzer sind über 65 Jahre alt, sagt Reum zur Statistik. Etwa 50.000 Medien gehören zum Bestand. Mit Blick auf die jungen Bibliotheksnutzer merkt sie an: „Wir haben den großen Vorteil, die Mitgliedschaft bis 18 Jahre kostenlos anzubieten.“ Kinder- und Jugendveranstaltungen sind Reum wichtig. „Wir haben uns unseren eigenen Maker Space geschaffen, wo vor allem Mint-Experimente im naturwissenschaftlichen Bereich durchgeführt werden können.“ Programmierung und Robotik spielen eine Rolle. Die Bibliothek ist dazu eine Kooperation mit dem Schülerforschungszentrum der Schmalkalder Hochschule eingegangen. „Mit diesen Schwerpunkten sind wir in den vergangenen Jahren ganz gut gefahren“, schätzt Reum ein. Medienkompetenz werde auf vielfältige Weise vermittelt. Wichtig ist ihr: „Eine öffentliche Bibliothek hat nicht nur einen Bildungsauftrag, sondern hilft auch bei der Freizeitgestaltung. Das ist nicht nur bei Kindern ein wichtiges Thema.“

Das Vorgängerprojekt beim sogenannte Load-Programm richtete sich an Kinder im Zusammenhang mit dem Luther-Gedenken. Jetzt war es möglich, Technik wie Tablets und White Board anzuschaffen. Derzeit arbeiten Jugendliche zwischen zwölf und 16 Jahren daran, die zeitgeschichtlichen Veränderungen in Schmalkalden aufzuzeigen. „Sie dürfen damit auch von Zuhause mitmachen“, sagt Reum. In Coronazeiten wird zum Teil online konferiert. „Der Medienpädagoge gibt bei Präsenzterminen Tipps“, erläutert sie. In dieser ersten Ferienwoche findet ein Workshop statt. Zur Präsentation bereit sein soll alles am 19. November. „Dann ist unsere große Ausstellungseröffnung“, hofft Reum. Sie wird dann nicht nur das Projekt sondern auch die Auszeichnung als Thüringer Bibliothek 2020 feiern können.

Der Thüringer Bibliothekspreis

Den Thüringer Bibliothekspreis gibt es seit 2003 jährlich von Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen und Landesverband Thüringen im Deutschen Bibliotheksverband

Der Thüringer Bibliothekspreis umfasst einen Hauptpreis (dotiert mit 10.000 Euro) für ausschließlich hauptamtlich geleitete Öffentliche Bibliotheken und zwei Förderpreise (dotiert mit je 2500 Euro) für haupt-, neben- und ehrenamtlich geleitete Öffentliche Bibliotheken

Die Preisverleihung ist geplant für den 11. November in Erfurt; Übergabe durch Matthias Haupt, Geschäftsführer Sparkassen-Kulturstiftung Hessen-Thüringen

In der Jury vertreten sind Sparkassen-Kulturstiftung, Thüringer Bibliotheksverband, Landesfachstelle für Öffentliche Bibliotheken Thüringen, Thüringer Landesmedienanstalt, Gemeinde- und Städtebund, Thüringer Literaturrat, TLZ