Weimar. Mit einem neuen künstlerischen Leiter startet an diesem Freitag das traditionelle Alte-Musik-Festival „Güldener Herbst“ in die jahreszeitliche Saison.

Mit einem neuen künstlerischen Leiter startet an diesem Freitag das traditionelle Alte-Musik-Festival „Güldener Herbst“ (20. bis 29. September) in die jahreszeitliche Saison. Der Cembalist, Dirigent und Sänger-Coach Gerd Amelung (44), Absolvent der Weimarer Franz-Liszt-Hochschule, ist vorzüglich in der Szene vernetzt und präsentiert mit der Lautten Compagney Berlin gleich zum Eröffnungskonzert einen frischgebackenen Opus Klassik-Preisträger. Gleichwohl bleibt er bei dem anspruchsvollen Konzept, Schätze aus Thüringer Archiven zum Klingen zu bringen – diesmal unter dem Motto „Musik.Dynastie“.

Bewusst doppeldeutig ist dieser programmatische Titel gemeint: Zum einen zollt er den hiesigen Herzögen Respekt für ihre Verdienste, dass sie aus wahrer Liebe zur Kunst, aus Lust an der Repräsentation, aber auch aus religiösen Gründen das thüringische Musikleben förderten. Und zum anderen feiert er die namhaften Musikerfamilien – allen voran die Bachs. Folglich bringt die Lautten Compagney, die voriges Jahr mit ihrer CD „War & Peace 1618:1918“ einen preiswürdigen Ausflug bis ins 20. Jahrhundert unternahm, nun Trouvaillen aus dem Altbachischen Archiv in der Weimarer Herderkirche zu Gehör. Johann Christoph, Heinrich und Johann Bach zählt der Festivalchef im Gespräch mit unserer Zeitung auf – und hat auch ad hoc nicht im Ärmel, wie wer mit wem verwandt war.

Gerd Amelung, künstlerischer Leiter des „Güldenen Herbsts“.
Gerd Amelung, künstlerischer Leiter des „Güldenen Herbsts“. © Wolfgang Hirsch

Natürlich darf der große Johann Sebastian nicht fehlen, beteuert Gerd Amelung, der bei dem Konzert an den Tasten Platz nimmt, und verspricht zwei Motetten aus dessen Feder. Die Lautten Compagney musiziert unter Wolfgang Katschner auf Originalinstrumenten, die solistisch besetzte Capella Angelica trägt den Vokalpart. Zu einem Familiennachmittag in der Wandersleber Menantes-Literaturgedenkstätte lädt der Samstag ein. Erst erfreut Max der Spielmann alias Dieter Schumann die Herzen von Jung und Alt mit dem überreichen Klang-Instrumentarium der Renaissance; dann stellt die Eisenacher Cembalistin Monica Ripamonti je eine französische, italienische und deutsche Dynastie einander gegenüber: die Couperins, die Scarlattis und die Bachs.

Zu den führenden deutschen Ensembles der Renaissancemusik zählt die Capella de la Torre, und Katerina Bäuml spannt beim Sonntagabendkonzert in der Michaeliskirche zu Erfurt den weiten Bogen vom wettinischen Kurfürstentum bis ins Habsburgerreich nach Spanien, indem sie unter dem Titel „Mille Regretz“ Musik vom Hofe Karls V. und dem Friedrichs des Weisen kontrastiert. Dass die eine strikt katholisch und die andere schon recht protestantisch erscheinen soll, tut der Qualität gewiss keinen Abbruch.

Ebenfalls in Habsburgische Sphären führt das A-Cappella-Konzert von Singer Pur nächste Woche Freitag in der Liebfrauenkirche zu Arnstadt. Der dortige Schwarzburger Landesherr einer winzigen Regentschaft, Günther der Streitbare, erhielt einst vom Kaiser zwei prächtige alte Chorbücher Pariser und Antwerpener Provenienz zum Geschenk, aus denen die süddeutschen Vokalsolisten – allesamt ehemalige Regensburger Domspatzen – vortragen werden. Auch ein früherer Domspatz ist Christoph Meixner, der Leiter des Thüringischen Landesmusikarchivs. Er verwahrt die beiden Zimelien und erläutert vorm Konzert allerlei Wissenswertes über ihre Herkunft und ihren Rang.

Lokale Schwerpunkte bilden

Dem Sachsen-Meininger Herzog Anton Ulrich mag insgeheim das Konzert nächste Woche Samstag auf Gothas Friedenstein gewidmet sein. Denn er sorgte für zahllose Abschriften der damals in Wien hochmodernen barocken Musiken und ließ das Archiv in seiner südthüringischen Residenzstadt zur wahren Fundgrube für heutige Forscher avancieren. Gerd Amelung begleitet mit der Capella Jenensis den exquisiten Countertenor Philipp Mathmann durch ein Kantatenprogramm – darunter zwei Werke von Johann Adolph Hasse, für die es laut Amelung keine weitere zuverlässige Quelle mehr gebe. Das Konzert wird aufgezeichnet und stiftet die Debüt-CD des Ensembles.

Zum Schluss stellt die Batzdorfer Hofkapelle die Lehrer-Schüler-Enkelschüler-Dynastie Heinrich Schütz’ vor. Der Spross eines Köstritzer Schankwirts studierte in Venedig bei Gabrieli und lernte dort auch Monteverdi kennen. Die Namen seiner Eleven sind heute weitestgehend vergessen, doch Amelung erwartet am 28. September in der Maloca von Auerstedt „ein Kaleidoskop deutscher Musik des 17. Jahrhunderts“. So startet er als Festivalleiter mit exzellenten Ensembles und folgt letztmalig dem alten Prinzip, das Festival auf mehrere Orte aufzuteilen.

Vom nächsten Jahr an wollen er und die Musikprofessorin Helen Geyer als Vorsitzende des Trägervereins lokale Schwerpunkte bilden; 2020 steht Gotha im Zentrum. Am Grundsatz jedoch, abseits ausgetretener Pfade Altes neu aufzuführen, soll sich nichts ändern. Denn das sei, so Amelung, „das Richtige für Menschen, die Musik gerne entdecken wollen, und zugleich ein Spiegel Thüringer Musiklebens aus einer großartigen Zeit“. Oder, anders formuliert: klingende Heimatkunde.

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