Weimar/Jena. Autorin Ines Geipel hat mit ihrem Werk „Umkämpfte Zone“ einen Nerv getroffen. Im Rahmen der Thementage „1989 - geteilte Erinnerungen zweier Länder“ kommt sie nach Jena.

Mit ihrem Buch „Umkämpfte Zone“ ist Ines Geipel derzeit in ganz Deutschland unterwegs; eine Station war jüngst im Weimarer DNT. Jetzt kommt sie im Rahmen der Thementage „1989 - geteilte Erinnerungen zweier Länder“ nach Jena, um zu lesen. Die zehnte Auflage binnen zehn Monaten macht deutlich: Geipel hat mit ihrem Werk, das sich mit ihrem Bruder, dem Osten und dem Hass beschäftigt, einen Nerv getroffen.

Wenn Ines Geipel auf das Jahr 1990 zurückblickt, erscheint es ihr angesichts der Rasanz der Ereignisse wie „Geschichte in der Schleuder“. Die frühere Weltklassesportlerin und Jenaer Studentin hatte nur wenige Monate zuvor der DDR im Sommer 1989 den Rücken gekehrt, nachdem sie zuvor lange Zeit Zersetzungsmaßnahmen hatte erleiden müssen und für sich keine Zukunft im Land der SED-Diktatur sah. 1990 kellnerte sie in Darmstadt, sah die Veränderungen in der alten Heimat von fern. Und wunderte sich, wie Geipel erzählt, über die Angst der West-Feministinnen vor den Ost-Frauen – und über den damaligen Wahlkampf-Slogan der Grünen: „Wir wollen Bäume und nicht die Einheit“. Warum geht nicht beides? Diese Frage stelle sich jetzt wieder – in einer Zeit, in der die Autorin eine „neue Politik der inneren Mauern“ sieht.

Es bleibe ein Thema, dass die Ostdeutschen bei dem Weg zur Einheit 1990 so wenig mitbestimmt haben, sagt sie. Auf die Forderung nach West-Mark und Einheit habe der Westen damals zwar prompt reagiert, „gleichzeitig bleibt als Wunde die Frage nach der gemeinsamen Verfassung“. Wobei die Verfassungsfrage in der letzten Volkskammerregierung nicht unumstritten war: Jene, die mit der „Allianz für Deutschland“ am 18. März 1990 ein überragendes Wahlergebnis eingefahren hatten, wollten schnell und ohne großen Streit Teil der alten Bundesrepublik werden. Und sie sahen dafür eine Mehrheit hinter sich.

Geipel weist aber auch darauf hin, dass gerade die Debatten in den vergangenen Jahren noch einmal gezeigt hätten, dass 1990 nicht vorrangig zusammenwuchs, was zusammengehörte. „Es waren zwei Systeme, die man sich konträrer nicht vorstellen konnte – und nun musste es dafür einen Weg geben, für den keiner ein Konzept in der Schublade hatte“, schildert Geipel die Herausforderung. Ihr Eindruck – entstanden auch durch mittlerweile viele Gespräche mit damaligen Bürgerrechtlern – über das, was 1990 geschah: „Es war keine Übernahme, aber eine Übergabe.“ Wobei nicht vergessen werden dürfe: „Der Osten war absolut verschlissen“, sagt sie.

Der Ansatz des damaligen Kanzlers Helmut Kohl, die ganze Energie in die Wirtschaft zu pumpen und darauf zu hoffen, dass sich dadurch alle Probleme gerade auch im Sozialen und in der unterschiedlichen Prägung lösen ließen, habe sich rasch als falsch erwiesen. „Nach 30 Jahren lässt sich sagen: Für die Seelenkosten hatten wir kein Konzept. Vielleicht hatten wir nicht mal einen Gedanken dafür.“ Zu beachten sei auch: „Die Erfahrungswucht aus mehr als 50-jähriger Diktaturgeschichte hockt noch immer in den Menschen.“

Ines Geipel gibt daher zu bedenken: „Bei der Erzählung des Ostens sind wir noch lange nicht durch“, auch wenn manche über die Diktaturerfahrung nicht mehr reden wollen. Derweil ist die „Umkämpfte Zone“ bühnenreif – und zwar ab Herbst an drei Theatern im Land.

Ines Geipel liest aus „Umkämpfte Zone“: Donnerstag, 6. Februar, 20 Uhr, Rosensäle Jena