Frank Quilitzsch erklärt Filipa, welche Lieder er mag.

„Lieber Urgroßvater, im Musikunterricht haben wir uns mit Liedern aus Deiner Zeit beschäftigt. Ich weiß nicht, ob das alles Volkslieder waren. Für mich klingt es befremdlich, wenn es heißt ,Brüder zur Sonne zur Freiheit‘. Oder ,Dort steht ein Mann, ein Mann fest wie eine Eiche‘. Oder ,Brüder seht die rote Fahne‘. Die Losung der französischen Revolution ,Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit‘ kenne ich. Und ich weiß auch, wofür die Arbeiterfahne einst stand. Aber immer nur Männer? Warum spielt die Frau bei euch keine Rolle? Wo bleibt das Schwesterliche? Deine Urenkelin.“

„Liebe Filipa, zunächst: Das sind nicht meine Lieblingslieder. Einige davon haben wir in der Schule gelernt, aber gesungen wurden sie nur zu offiziellen Anlässen. Klar, Arbeiter- und Kampflieder sind martialisch, männerlastig. Mit wenigen Ausnahmen. Wenn Hannes Wader singt ,Leben einzeln und frei, / wie ein Baum und dabei / brüderlich wie ein Wald, / diese Sehnsucht ist alt‘, denke ich die Schwestern mit. Das Brüderliche kommt von unseren Ahnen (nicht Ahninnen). Doch muss ich das Lied deshalb verdammen? Auf den Index würde ich diesen 1954 geschriebenen Song setzen: ,Auf ihr Frauen / helft uns bauen / an der Liebe Weltenreich. / Es zu krönen / aus den Söhnen / erzieht uns Kinder heldengleich‘.

Und jetzt sage ich Dir, was wir gern hören: ,Imagine‘ von John Lennon. ,Diamonds & Rust“ von Joan Beaz oder ,No Woman, No Cry” von Bob Marley. Und natürlich ‚Männer‘ von Herbert Grönemeyer, der ironisch fragt: ,Wann ist der Mann ein Mann?‘ Gute Frage, Dein Urgroßvater.“

Frank Quilitzsch: Alter, du wirst abgehängt. Die besten Kolumnen, Klartext-Verlag, 176 S., 16,95 Euro