Ein Kunstsachbuch bietet Leitfäden durch die Wirrnisse der „Großen Proletarischen Kulturrevolution“.

1968 ist als Jahr der Proteste in die deutsche Geschichte eingegangen: Im Westen rebellierte die Studentenschaft gegen die restaurativen Strukturen der Bundesrepublik, im Osten traten Künstler und Intellektuelle mutig für einen demokratischen Sozialismus ein, wie er in Prag gerade niedergewalzt wurde. Eine ausgesprochene Bewunderung für Mao Zedong, der in China die „Große Proletarische Kulturrevolution“ ausgerufen hatte, gab es jedoch nur im Westen. Das Reich der Mitte war abgeschirmt, niemand wusste, was da eigentlich vor sich ging. Angesichts der Millionen Opfer, die Maos Kampagnen zwischen 1966 und 1976 forderten, möchten seine deutschen Jünger heute nicht mehr daran erinnert werden.

Ein im Esslinger Drachenhaus-Verlag erschienenes Kunstsachbuch vermittelt einen Überblick über das, was sich in jenem Jahrzehnt, das China in seiner Entwicklung weit zurückgeworfen hat, ereignete. Wegen der Komplexität der Vorgänge hat die Historikerin Cornelia Hermanns Leitfäden gewebt, die den Leser durch die politischen Wirrnisse lotsen. Die Stärke dieses von Gregor Körting illustrierten Bandes liegt darin, dass er Geschichte in Episoden lebendig werden lässt. In elf Kapiteln werden die Eskalationsstufen der beispiellosen mao­istischen Offensive beschrieben, die in eine neue, proletarische Kultur münden sollte, jedoch nur Zerstörung, Unwissenheit, Hunger und Chaos hervorgebracht hat. Der perfide Plan, Schüler und Studenten in Roten Garden zu rekrutieren und gegen ihre Lehrer und Professoren zu hetzen, ging auf. Unzählige Intellektuelle wurden gedemütigt, gefoltert und umgebracht. Die Restriktionen richteten sich aber auch gegen den Parteiapparat und Führer der Volksbefreiungsarmee wie Lin Biao. Erst mit Maos Tod endete der Spuk, und die Verantwortung wurde auf Lin Biao und die sogenannte „Viererbande“ um Maos Frau abgeschoben. 1981 bezog das ZK der kommunistischen Partei offiziell Stellung: Die Kulturrevolution habe „dem Staat und dem Volk den schwersten Rückschlag und den schwersten Verlust seit der Staatsgründung zugefügt“, heißt es. Man warf Mao Fehler vor, die jedoch von den „Verbrechen Lin Biaos und der Viererbande zu trennen“ seien.

Cornelia Hermanns: Maos Rote Garden. Die Große Proletarische Kulturrevolution (1966–1976), Drachenhaus-Verlag, Esslingen, 105 Seiten mit zahlr. Abb., 24 Euro