Frank Quilitzsch spricht mit Thomas Thieme über die Fernsehserie „Babylon Berlin“.

Herr Thieme, wo sind Sie?

Thomas Thieme: In Berlin. Ich bin in der Physiotherapie und liege warm eingepackt auf der Matte. Ich muss leise sprechen.

Das heißt, Sie entspannen sich?

Wenn ich mit Ihnen rede, immer.

Dann sprechen wir mal über „Babylon Berlin“. Die teuerste und angeblich erfolgreichste deutsche TV-Serie geht in die nächste Runde, und Ihr Polizeipräsident Friedrich Zörgiebel, der auf Arbeiter schießen ließ, ist immer noch dabei. Hat Sie das überrascht?

Nein, das ist ja eine historische Figur, die durchgehend eine Rolle spielt. Zörgiebel ist wichtig. In der dritten Staffel wird der Mann nach Köln versetzt. Er hat in dem von Benno Fürmann gespielten Leiter der Politischen Polizei einen Widersacher, der seinen Job will und ihn bekämpft. Zörgiebel ist Sozialdemokrat, also ein Roter, der andere ist eine schwarze Reichswehrfigur.

Von Köln aus kommen Sie doch gar nicht mehr ins Moka Efti, den berühmt-berüchtigten Berliner Tanztempel. Da ist es wohl vorbei mit den Vergnügungen?

Für mich schon. Für die andern geht’s munter weiter.

Was ist denn so interessant an dem Sozialdemokraten? Was treibt ihn um?

Nun, der „Blutmai“ war in der ersten Staffel. Die dritte Staffel erzählt in einigen prägnanten Szenen Zörgiebels Niedergang. Das heißt, ich zeige, wie der einst so starke und nun schwer angeschlagene Mann zusammenbricht. Er spürt, dass er alt ist und die Zeiten sich ändern.

Falls noch eine vierte oder fünfte Staffel geplant ist, werden ihn die Nazis ins KZ Brauweiler stecken. Natürlich nur, wenn sich das Drehbuch weiter an die Historie hält.

Na ja. Mit „Babylon Berlin“ löst man sich auch sukzessive von Volker Kutschers Büchern, die den Drehbuchschreibern als Vorlage gedient haben. Kutscher ist ein Kriminalromane schreibender Historiker, und du musst die Drehbücher ein Stück von der Historie entfernen, um Fleisch zu kriegen für die persönlichen Konflikte.

Ich habe nur die erste „Babylon Berlin“-Staffel verfolgt und schon da den Hype auf die Goldenen Zwanziger nicht so richtig verstanden. Warum schauen wir jetzt so fasziniert und mit leisem Schauder in diese Zeit zurück, in der die Kunst aufblühte und die Demokratie zugrunde ging? Aus Angst, dass sich das wiederholen könnte?

Tiefenpsychologisch mögen Sie recht haben. Aber Geschichte wiederholt sich nicht. Zumindest nicht linear. Wir haben doch in der letzten Zeit keine Monarchie gestürzt. Und wir haben heute eigentlich eine gefestigte Demokratie. Die einzige Parallele, die auf mich beängstigend wirkt, ist, dass jetzt wieder Bewegungen hochkommen, wie sie schon mal vor hundert Jahren hochgekommen sind: die AfD. Doch unsere Zeit ist eine ganz andere, wir leben heute im digitalen Zeitalter...

...das der Verführung und Manipulation kaum noch Grenzen setzt.

Ja, aber Sie kennen mich. Ich glaube wie Galilei an die Vernunft des Menschen. Es ist zwar erstaunlich, wie wenig die Dinge zu Ende gedacht werden. Doch ich bin überzeugt, dass man aus der Geschichte lernen kann. Und falls wir das nicht tun, sind wir an allem wieder selber schuld, genau wie damals.

Thomas Thieme: Ich Hoeneß Kohl. Gespräche mit Frank Quilitzsch, Klartext-Verlag, 244 Seiten mit Abb., 19,95 Euro