Pforzheim. Die Welt ist bunt, das gilt längst auch für die der Schallplatten. Sammler lieben farbige Vinyls - und gönnen sich gerne mal LPs mit noch mehr Schnickschnack. Es gibt eine ganz besondere Nische.

Ooops, die Schallplatten sind ja gar nicht schwarz. Sie scheinen mit goldenem Glitzerstaub übersät. Mit verschiedenen Stickern bedeckt. Mit Graffiti bemalt. Mit Sand oder Würmern befüllt. Aber am kuriosesten sind die farbigen Flüssigkeiten, die träge in manchen der Vinylscheiben schwappen. In einer schweben auch noch Rasierklingen in tiefrotem Kunstblut.

Schallplattenveredler Nico Michaelis ist in seiner kleinen Pforzheimer Vinyl-Manufaktur in seinem Element und hat eine sehr spezielle Nische für sich entdeckt. Er gestaltet Schallplatten nicht nur, indem er sie verziert oder bedruckt. Sondern indem er sie je nach Auftrag mit Flüssigkeiten befüllt. „Liquid filled vinyl“ (mit Flüssigkeit gefülltes Vinyl) nennt sich das Ganze - und wie er das macht, hält er streng geheim.

Die Vinylwelt ist nicht nur schwarz

Schallplatten kommen längst nicht mehr einfach schwarz daher, die Vinylwelt ist bunt, farbenfroh und sehr eigenwillig geworden. „Es geschieht immer häufiger, dass eine Band neben einer schwarzen Standard-Ausgabe auch limitierte Sonderpressungen in farbigem Vinyl beziehungsweise Splattervinyl herausbringt“, sagt der Vinyl-Experte Manfred Krug, Autor des Blogs „Vinyl-Fan“.

Schallplattenpresswerke wie Pallas in Diepholz oder der Optimal Media in Röbel etwa haben bunte Vinyls in allen Farben im Portfolio. Auch andere Veredelungen werden angeboten: Etwa die sogenannten Picture Discs, bei denen auf Wunsch ein Bild in die Oberfläche eingearbeitet werden kann. Und Pallas hat ebenfalls Vinyl mit Flüssigkeiten im Angebot.

Geheime Produktion

Laut Michaelis gehören Pallas und er zu den wenigen, die mit Flüssigkeit befüllte Vinyls überhaupt anbieten. Wie produziert wird, darüber bewahrt auch Michaelis Stillschweigen. Nur so viel erzählt der 41-Jährige: Eine Band oder das Label eines Künstlers fragen bei ihm an, eine bestimmte LP zu gestalten - nicht das Cover, sondern das Vinyl selbst. Dann werden ihm die durchsichtigen mit der Musik bepressten Scheiben geschickt, jeweils Vorder- und Rückseite extra.

Er macht Schutzfolie über die Rillen, damit sie beim Produktionsprozess nicht leiden. Dann werden die Scheiben sandwichartig in einem bestimmten Verfahren zusammengeklebt. Sie werden mit Hitze verschweißt - aber so, dass ein Zwischenraum bleibt. Der wird an den Rändern ebenfalls versiegelt und durch ein Füllloch an der Innenseite der Scheibe speziell dafür geeignete Farben in den Zwischenraum gefüllt. Das Loch wird dann ebenfalls abgedichtet. Fertig.

Die Sache mit den Zahlen

Zahlen dazu, wie viele farbige oder anders veredelte Schallplatten jährlich in Deutschland verkauft werden, gibt es laut Bundesverband Musikindustrie nicht. Auch etwa Pallas oder Optimal Media geben darüber keine Auskunft.

„In den letzten Jahren beauftragen Kunden deutlich mehr die Produktion der Schallplatten in verschiedenen Farbversionen oder mit besonderen Effekten“, sagt eine Sprecherin von Optimal Media lediglich.

Sammler, Fans und Künstler lieben es bunt

Aufwendig gestaltete Vinyls sind Sammlerobjekte. Farbige Schallplatten werden dabei zweifellos gehört „und klingen heute meist identisch zur normalen schwarzen LP“, sagt Krug. „Picture Vinyl“ hingegen habe ein deutlich höheres Rauschen. Die mit Flüssigkeiten veredelten LPs seien aber ganz normal abspielbar, die Hörqualität nicht beeinträchtigt, erzählt Michaelis. Inzwischen schafft er 15 bis 20 LPs pro Stunde, alles reine Handarbeit.

Rund 50.000 Euro habe er investiert, um den Prozess mit den Flüssigkeiten zu perfektionieren. In den drei Jahren, in denen er das macht, hat er immerhin zwischen 2500 und 5000 solcher Schallplatten schon hergestellt, darunter für Künstler wie die Bands Slayer, Tocotronic oder auch die Fantastischen Vier. Etwa dieselbe Anzahl von Schallplatten hat er auf andere Weise im Auftrag verziert, befüllt, veredelt und alles in allem schon rund 100 Künstler beziehungsweise deren Labels beliefert

Michaelis glaubt, dass farbig eingefärbte Vinyls inzwischen einen großen Anteil am Markt ausmachen. So speziell wie von ihm veredelte LPs hingegen höchstens ein Prozent. Vor allem die mit Flüssigkeiten befüllten Scheiben würden immer eine Nische bleiben. Billig sind solche Editionen übrigens auch nicht. Im Handel würden dafür zwischen 120 und 200 Euro verlangt. Zu teuer zum Verramschen und deshalb immer in eher dreistelligen Stückzahlen produziert, sagt er. Bei Michaelis bleibt eine Marge von etwa einem Drittel des Endpreises hängen. Bis zum Ende des Jahres will er sich selbstständig machen.