London. Sänger Liam Gallagher sieht sein Album mit Stone-Roses-Gitarrist John Squire auf einer Ebene mit den Beatles und den Rolling Stones. Ist der Ex-Oasis-Frontmann größenwahnsinnig oder nur selbstbewusst?

Liam Gallagher liebt die Provokation. Als er sein Album mit John Squire vor einigen Wochen als beste Platte seit dem Beatles-Album „Revolver“ bezeichnete, wusste er genau, was er damit auslösen wird. Die Empörung im Internet war groß.

„Das reizt mich am meisten“, sagt Gallagher im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. „Wenn ich an all diese kleinen Spießer denke, die da sitzen und sagen: 'Wie kannst du es wagen, sowas zu sagen?' Natürlich ist 'Revolver' großartig, aber dieses Album hier ist auch großartig.“

An Selbstvertrauen mangelt es dem ehemaligen Oasis-Frontmann bekanntlich nicht. Er gefällt sich als Großmaul, er liefert allerdings auch. Als Solokünstler füllt der 51-Jährige schon lange ohne seinen Bruder Noel die größten Hallen - und das ikonische Knebworth-Gelände. Im Juni 2022 trat er dort gleich zweimal auf. Beim Oasis-Klassiker „Champagne Supernova“ kam - wie 1996 beim Oasis-Konzert in Knebworth - John Squire als Gast auf die Bühne. Der kurze Auftritt mit dem Gitarristen der Stone Roses brachte die Dinge ins Rollen, obwohl Gallagher ursprünglich eine Pause einlegen wollte.

Mit dem eigenen Idol auf einem Album

Auf seiner Bucket List habe er ein Album mit Squire nicht gehabt, betont der Sänger. Trotzdem lässt er keine Zweifel daran, wie viel ihm das Projekt bedeutet. „Die Stone Roses sind meine Lieblingsband. Sie sind der Grund, warum ich hier jetzt in einem schönen Haus sitze. Als ich die Stone Roses zum ersten Mal sah, haben sie mich umgehauen. Deretwegen wollte ich in einer Band sein. Deshalb wollte ich alles stehen und liegen lassen, mich anstrengen und Mitglied in einer Band werden. Gott weiß, wo ich ohne sie wäre.“

Oasis trifft nun also - vereinfacht gesagt - auf die Stone Roses. Der 61-jährige Squire schrieb die Songs ohne Mitwirken seines zehn Jahre jüngeren Kollegen, dem das nur allzu recht war. „Es war nicht nötig, dass ich irgendwas dazu beitrug“, stellt Gallagher klar. „Mir reicht es vollkommen, Sänger zu sein. Mein Ego ist nicht so außer Kontrolle, dass ich nur aus Prinzip irgendwo mitmischen will.“

Rock and Roll nach altbewährtem Rezept

Aufgenommen wurde in Los Angeles im Studio von Greg Kurstin, der das schlicht „Liam Gallagher & John Squire“ benannte Album produzierte und auch Bass und Klavier spielte. Das Ergebnis sind zehn ungefilterte, kernige Rock 'n' Roll-Songs nach alter Schule. Vom hymnenhaften „Raise Your Hands“ über den Bluesrocker „I'm A Wheel“ und das psychedelische „Just Another Rainbow“ bis zum emotionalen „Mother Nature's Song“ gibt es keinen schwachen Track.

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Er habe nicht bewusst ein klassisches Rock 'n' Roll-Album geplant, betont Squire. „Ich bin nicht so gut im Songwriting, dass ich wählen könnte, was ich schreibe.“ Das klingt etwas zu bescheiden für einen der prominentesten Vertreter der einflussreichen sogenannten Madchester-Szene. Für die in Großbritannien immens populären, derzeit inaktiven Stone Roses schrieb er Klassiker wie „She Bangs The Drums“ oder „Fools Gold“.

Viele Gemeinsamkeiten und doch ein ungleiches Duo

Trotz des klassischen Sounds klingt alles frisch und absolut zeitlos. Es ist tatsächlich eine grandiose Rockscheibe in der Tradition großer britischer Bands wie den Rolling Stones, Beatles, Faces oder Kinks. „Ich bin mir sicher, dass einige Leute sagen werden: 'Das hab ich alles schon mal gehört'“, sagt Gallagher. „Gut, aber ihr werdet es verdammt noch mal wieder hören.“

Ganz im Gegensatz zu dem extrovertierten Oasis-Frontmann spricht Squire langsam und leise. Er überlegt im dpa-Interview jedes Mal einen Augenblick, bevor er antwortet. Beide Männer stammen aus Manchester, lieben klassischen Gitarrenrock und haben ein Faible für Parkas, trotzdem sind sie ein ungleiches Duo. „John ist ziemlich ruhig und ich bin ziemlich laut und so“, räumt Gallagher ein. „Aber ich bin auch ziemlich entspannt. Und John hat es faustdick hinter den Ohren.“

Harmonisches Zusammenarbeiten

Die Zusammenarbeit lief beiden zufolge reibungslos und soll langfristig fortgesetzt werden. „Es war so einfach. Die Demos, die Planung, die Aufnahmen, die Promotion - alles lief glatt“, erzählt Squire und lacht. „Wir sind uns in allem einig, es ist verstörend.“ Die gemeinsame Tournee im kommenden Frühjahr war nach kurzer Zeit ausverkauft. Der Gitarrist, der neben seiner Musikerkarriere erfolgreich als Maler arbeitet, schreibt bereits am zweiten Album.

Auf die Frage, ob er den gewagten Vergleich seines musikalischen Partners bezüglich „Revolver“ teilt, weicht der 61-Jährige augenzwinkernd aus. „Ich finde, es ist ein gutes Zitat“, sagt John Squire. Liam Gallagher legt unterdessen noch einmal nach. „Ich liebe die Beatles und ich liebe die Rolling Stones und all das“, sagt er. „Aber ich finde, dieses Album ist definitiv auf derselben Ebene. Natürlich ziehe ich die Leute damit auf, aber wenn die das ernst nehmen, ist das deren Problem, oder?“