Rudolstadt. Die Fernsehsendung „Kunst und Krempel“ ist diesmal zu Gast in Rudolstadt. Auktionatorin Anke Wendl ist mit dabei.

Sie hoffen auf ein K. K wie Kamera. Wer das K auf die Einlasskarte gemalt bekommt, wird gefilmt. Hannelore und Werner Reichel aus Oberfranken wollen unbedingt mit ihrer Porzellan-Tänzerin von Rosenthal ins Fernsehen. Dafür ist das Paar nach Rudolstadt zur Aufzeichnung von „Kunst und Krempel“ gekommen.

Vorerst aber sitzen sie bei schönstem Herbstwetter und sommerlichen Temperaturen an einem langen Tisch auf der Heidecksburg – so wie 180 andere Gäste auch. Die Tänzerin ist noch in Zeitungspapier eingeschlagen. Vorsichtig gehen Reichels Blicke rechts und links der eigenen Stühle. Die da werden sicher auch etwas in ihrer Zeitung eingeschlagen haben, das ganz besonders ist. Sonst hätte „Kunst und Krempel“ vom Bayrischen Rundfunk sie nicht eingeladen.

Redakteur Ronald Köhler stellt sich vor. Er gehört seit 15 Jahren zu dieser zum Kult gewordenen Samstagabend-Sendung. 30 Minuten gute Unterhaltung und das über Jahre hinweg. Und nun endlich in Thüringen, sagt der gebürtige Arnstädter. „Ich habe mich in die Heidecksburg und in Thüringen verliebt“. Nun ja, das ist wohl eine Höflichkeitsfloskel. Oder doch nicht? Immerhin ist es der dritte Versuch, hier auf dem Residenzschloss Heidecksburg zu drehen. Der Rokoko-Saal, so meint er, sei einer der schönsten in Deutschland. Er muss es wissen. Der Festsaal auf der Heidecksburg ist einen Außendreh 400 Kilometer von München entfernt unbedingt wert.

Anke Wendl, die Rudolstädter Fachfrau und Auktionatorin, hört von diesem Kompliment an ihre Heimatstadt an diesem Sonntagnachmittag nichts. Sie konzentriert sich auf die rund 250 Kunst-Stücke – oder ist es doch Krempel? – die zur Begutachtung von den Besitzern auf das Schloss getragen wurden. Neben Dr. Samuel Wittwer von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Potsdam ist sie die Expertin. Die Fachfrau für Porzellan also, die in sehr kurzer Zeit bewerten soll, was da vor ihr auf den Tischen steht.

Konzentration und Freundlichkeit und Neugier sind eine angenehme Mischung. Wendl nimmt beispielsweise die Tänzerin der Reichels in die Hand. Ein ganz kleines Nicken hin zu Samuel Wittwer signalisiert, dass dieses Porzellan schon auf den ersten Blick besonders ist. Kunst. Kein Krempel. Dann lächelt sie, geht weiter. Gemeinsam mit Samuel Wittwer. Minute um Minute verstreicht. Jedes Stück wird angeschaut. Sehr schnell und doch ohne äußere Eile. Es gibt schöne und auch weniger geschmackvolle Stücke. Das Handy, das Anke Wendl aus der Hosentasche holt, wirkt plötzlich futuristisch. Aber ein Handy-Foto vom Fabrikat der Vase oder der Tasse oder der Figur macht die Marke des Stückes manchmal erst sichtbar. Leise unterhalten sich die beiden Fachleute. Mitunter, genau sechzehn Mal, schreiben sie ein K auf die Einlasskarte. Und sie hätten gern öfter dieses K geschrieben. Doch die Zahl 16 ist vorgegeben. . .

Während die beiden noch auswählen, bereitet Regisseurin Claudia Schulte-Langforth oben im Rokoko-Saal alles für die Aufzeichnung der Fernsehsendungen vor. Vier Kameras sind zu dirigieren und die Leute von der Maske und später die Fachleute und das Publikum. Alles tanzt nach ihrer Pfeife. Eine muss den Hut aufhaben – und das ist sie. Selbst, wenn sie während der Aufzeichnung nicht im Saal sein wird, weil sie draußen im Ü-Wagen sitzt. Verbunden über das Mikro. Sie könnte jederzeit eingreifen. Wie schon am Vormittag, als Gemälde und Glas begutachtet wurden. Und am Vortag die Musikinstrumente. Doch Claudia Schulte-Langforth bleibt weitgehend ruhig. Nur ein wenig aufgedreht ist sie. Das macht das Adrenalin.

Aufgedreht ist auch Anke Wendl. Ihr merkt man es nicht an. Und auch nicht, dass für sie mit diesem Sonntag eine wunderbar verrückte Woche zu Ende geht. Großmutter ist sie geworden und gemeinsam mit ihrem Mann und den Angestellten des Auktionshauses hat sie die Auktion am kommenden Wochenende vorbereitet. Nun läuft die Vorbesichtigung für das Publikum.

Dass Anke Wendl einmal so leben würde, hätte sie vor 30 Jahren nicht denken können, wie auch. Da war sie gerade in Gera angekommen, Gebrauchswerberin zu werden. Damit sie irgendwann vielleicht einmal als Kinderbuchillustratorin arbeiten könnte. Dann aber kam die Wende. Und auf sehr veränderten Wegen gelingt ihr das Konzept eines Lebens mit der Kunst. Vielleicht, dass die Endvierzigerin in der nächsten Zeit darüber nachdenken wird. Möglicherweise sogar genau am Jahrestag der Maueröffnung. Dann nämlich ist es genau 30 Jahre her, dass sie und ihr Mann Martin zur ersten Auktion in Rudolstadt aufgerufen haben.

Jetzt aber muss sie in den Rokoko-Saal. Alles andere ausblenden. Die Tochter und die Enkelin. Das Auktionshaus. Die Auktion am kommenden Wochenende. Jetzt zählt nur die Kamera. Die von der Maske und die mit dem Mikro und die Kameraleute und das ausgewählte Publikum warten bereits. Doch die Regisseurin ist mit der Kleidung von Anke Wendl nicht einverstanden. Ja, sie sieht schick aus. Flott und angemessen. Nur: Jacket, Pulli und Rock ähneln in der Farbe zu sehr den Farbtönen von Wittwers Garderobe, flüstert er. Und der schicke Pony verdeckt für die Kamera zu sehr das rechte Auge. Doch in Rudolstadt geht alles. Alles, was man will. Minuten später ist Gundula Dennewitz mit neuer Garderobe im Rokoko-Saal. Nein, sie ist keine Garderobiere sondern Super-Mutter und Tochter Anke ihr sehr dankbar. Und die Maskenbildnerin verändert die Frisur so, dass die Kamera die Frau streicheln wird.

Ernst Sommer, einer der Kamera-Männer, bewegt seine Kamera auf die richtige Position. Noch aber kann der Dreh nicht beginnen. Jeder kleine Schweißtropfen würde überdimensioniert spiegeln und eine gute Aufnahme verhindern. Und das zur besten Sendezeit Samstagabend um 19.30 Uhr. Maske bitte. Gut so. Endlich. Die Reichels sind nun endgültig nervös. Sie sitzen den beiden Fachleuten gegenüber. Immer noch nicht wissen sie nicht, wie sie ihre Rosenthal-Tänzerin einschätzen sollen. Sie wissen nur, die gefällt ihnen.

Das denken auch Annekatrin Rietschel und Ralf Boschbach aus Rudolstadt von ihrer Vase. Sie haben sie vor mehr als 15 Jahren während einer Haushaltauflösung gekauft, wissen aber nichts von deren Herkunft und deren Alter. „Doch wir finden sie schön und freuen uns, dass wir hier in unserer Stadt etwas darüber erfahren können“. Deshalb haben sie sich vor vielen Wochen mit einem Foto von der Vase für diese Sendungsaufzeichnung beworben. Ja, auch sie möchten gern vor die Kamera. Aber zunächst wenigstens eingeladen werden. Beides, Einladung und auch die Kamera, wird auch klappen. Und selbst, wenn sie nur die Einladung bekommen hätten, wären sie schon sehr zufrieden gewesen. Denn eine fachkundige Einschätzung für ihre Vase hätten sie in jedem Falle bekommen. Das haben die vom Fernsehen aus München versprochen.

Jetzt aber sitzen erst einmal Reichels Anke Wendl und Samuel Wittwer gegenüber. Kamera ab. Wie sind Sie an die Tänzerin gekommen? 1980 war das, Hannelores Onkel hat das Porzellan geschenkt. Und schon als Kind hat die heute 65 Jahre alte Frau die Tänzerin berührt – im übertragenen und wörtlichen Sinne. Eine Tänzerin, die selbst nur 29 Jahre alt geworden und deren Rosenthal-Figur, wie die Reichels sie haben, derzeit 600 bis 800 Euro wert ist. Das ist schön. Verkaufen werden sie die Figur aber nicht. Dafür ist „Kunst und Krempel“ nicht konzipiert. Und davon, dass sie zu „Bares für Rares“ gehen wollen, haben sie nichts erzählt. Aber Thüringen war eine Reise wert.

Am Samstag, 16. November, läuft die erste Folge von „Kunst und Krempel“ aus Rudolstadt.