In unserer Serie „Thüringen und die Welt“ geht es diesmal um Skisprungmatten aus Zella-Mehlis.

Jetzt, wenn der Herbst langsam seinem Ende entgegen geht, wirft der Winter seine Schatten voraus.

Doch ob es wirklich absehbar schneien wird, ist seit einigen Jahren selbst für die Mittelgebirgsregionen in Deutschland nicht mehr sicher vorherzusagen. Und ob Wintersport angesichts sehr viel Energie verschlingenden Kunstschnees weiterhin unbeschwert möglich sein wird, bliebt offen.

Vor einer ähnlichen Herausforderung standen Thüringer Wintersportler schon einmal. Konkret ging es um die Skispringer, die sich damals fragten: Wie soll man ohne Schnee richtig trainieren? In den 1950er Jahren waren zwar viele Winter schneereicher als sie es heute sind. Daher war nicht das Ausbleiben der Flocken das Problem, sondern vielmehr die Konkurrenzfähigkeit der DDR-Sportler.

Damals war Hans Renner nicht nur Skisprungtrainer des SC Motor Zella-Mehlis, sondern betreute auch die Skisprung-Nationalmannschaft der DDR. So musste er 1954 erleben, wie seine Schützlinge bei der Nordischen Ski-WM im schwedischen Falun deklassiert und abgeschlagen ins Ziel kamen.

Renner vertrat der Ansicht, dass nur ein hartes Training die Männer konkurrenzfähig machen konnte. Und das sollte schon im Sommer beginnen. Doch da fehlte der Schnee. Zwar gab es bereits 1905 erste Versuche, auf Kokosmatten Ski zu fahren. In den 1920er-Jahren kam der erste Kunstschnee auf. Benutzt wurden außerdem Tannennadeln, Stroh, Schmierseife …

Doch mit all diesen Mitteln konnten Skispringer nur geringe Weiten erreichen. Erst gute zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges war es der Zella-Mehliser Hans Renner, der das Skispringen revolutionieren sollte. Im benachbarten Oberhof hatten 1954 die Skitrainer mit PVC-Platten experimentiert, um diese für ihre Langläufer zu nutzen. Doch die Versuche zeigten, dass die Plastikplatten zu glatt waren. Nun wurde Renner auf die Sache aufmerksam und kam auf die sich als genial erweisende Idee, aus den PVC-Platten Fäden zu schneiden und diese zu Matten zu bündeln. Er ließ die Bündel auf der Schanze „Schwarzer Hügel“ im Regenberg so anbringen, dass sie einander überlappten. Wurden die Matten befeuchtet, glitten die Skier exzellent darüber.

Harald Pfeffer vom SC Motor Zella-Mehlis hob am 25. August 1954 zum weltweit ersten Sprung ab, um auf Kunststoffmatten zu landen. An sich sollte das Ganze geheim gehalten werden, doch etwa 100 Schaulustige hatten Wind von der Sache bekommen.

Gute drei Monate später fand am 21. November das erste offizielle Springen in Oberhof statt. Werner Lesser gewann vor Helmut Recknagel und Adolf Baldauf. Zu diesem Anlass waren 15.000 Menschen gekommen. Hans Renner ließ sich seine Erfindung unter dem Namen „Als Schnee-Ersatz dienender Gleitbelag für Wintersportanlagen“ patentieren. Die PVC-Matten durften 20 Jahre lang nur in der DDR produziert werden. Dies geschah im VEB „Elastonwerk“ in Friedrichroda. Mittlerweile hatte sich Hans Renners Erfindung auch im Ausland durchgesetzt. Da erst Mitte der 1970er-Jahre der Patentschutz erlosch, konnte die DDR dank der PVC-Matten umfangreiche Devisen erwirtschaften.

Und was wurde aus Renners Athleten? Die hatten nun auch international Erfolg: Harry Glaß holte etwa 1956 in Cortina d’Ampezzo Olympia Bronze und Helmut Recknagel sprang 1960 zu Olympia Gold in Squaw Valley.