Journalist Frank Quilitzsch und Schauspieler Thomas Thieme unterhalten sich über’s Zeitgeschehen

Sie wollen was loswerden, Herr Thieme. Ich vermute, es hängt mit dem Ausscheiden unserer Fußballer zusammen.

So ein Desaster! Das ist doch unglaublich, was wir da gesehen haben!

Haben wir das nicht schon 2018 erlebt?

Eine desolate Abwehr, einen harmlosen Sturm und Verunsicherung auf allen Ebenen. Neu war nur, dass ein mit neunzehn Jahren bereits zum Supertalent verklärter Spieler namens Musiala permanent durch den gegnerischen Strafraum tänzelt, um dann den Ball über den Kasten zu dreschen.

Sie haben völlig Recht. Doch von einem Déjà-vu würde ich trotzdem nicht sprechen. In Katar sind mir ein paar Sachen aufgestoßen, wo ich denke, es hat wirklich am Nationaltrainer gelegen. Natürlich ist Hansi Flick ein außerordentlich sympathischer Typ. Aber warum er auf den lächerlich fuchtelnden und rumschreienden Thomas Müller setzt, entzieht sich meinem Verständnis. Wie ist Flick überhaupt darauf gekommen, einen Spieler, den sein Vorgänger Jogi Löw vor drei Jahren aussortiert hat, zu reaktivieren und als erste deutsche Sturmspitze zu bringen?

Wurden nicht auch taktische Fehler gemacht? Hauptsache, ein Sieg gegen Costa Rica. Dass im Parallelspiel Japan gegen Spanien gewinnen könnte und man deshalb acht Tore vorlegen muss, wurde gar nicht ernsthaft in Erwägung gezogen. Das grenzt doch an Gottvertrauen!

Man könnte es auch Überheblichkeit nennen. Oder Glaube an die eigenen Fähigkeiten…

…die sichtlich überschätzt wurden. Hansi Flick schwärmt selbst nach dem Ausscheiden noch vom riesigen Potenzial, das in seiner Mannschaft steckt. Das ist das Selbsteingeständnis, als Trainer versagt zu haben. Noch eine Parallele zu Jogi Löw?

Man könnte von heute aus betrachtet sagen, dass Hansi Flick die Verlängerung von Jogi Löw ist. Auch er hat das Potenzial nicht ausgeschöpft und 2018 nichts gewonnen. Man kann auf dem Müller herumhacken, wie man will. Aber er war nur einer von 26 Spielern. Und der Meister hat ihn mit dem Faust besetzt. Entweder hat Faust die Stimme verloren oder seinen Text nicht gekonnt.

Wenn man das schon bei der Generalprobe weiß, dann kann man als Regisseur das Risiko nicht eingehen.

Nicht die einzige Fehlbesetzung, wenn man auf die Defensivspieler schaut.

Mein Gott, was haben die den Weltklassetorwart Manuel Neuer im Regen stehen lassen!

Schon wieder Gottvertrauen.

Wir hätten, mal populistisch gesagt, auch ohne Verteidiger spielen können.

Damit wir in vier Jahren nicht wieder dieselben Diskussionen führen, die wir auch vor vier Jahren schon geführt haben, sollten wir uns vielleicht lieber dem Damenfußball zuwenden. Da ist Ästhetik, da ist Eleganz, da ist Leidenschaft und - Erfolg.

Ja, da ist wirklich Feuer.