Berlin. Bei „Hart aber fair“ bricht Gastgeber Klamroth mit dem Vorgänger Plasberg. Es zeigt sich: Das Konzept ist solide – aber ausbaufähig.

Diese Talkshow-Rezension muss mit einer Besprechung des Drumherum beginnen. Denn bei „Hart aber fair“ war am Montagabend alles neu, zumindest ein bisschen. Der Tresen ist verschwunden, stattdessen sitzt man im Kreis; das knallige Rot ist einem modernen Farbmix gewichen; vor allem aber ist die Gesprächsführung dynamischer, weil nun Politiker auf wechselnde Experten und vor allem auf Bürgerinnen und Bürger treffen.

Hintergrund dieser Neuausrichtung ist, dass Gastgeber Louis Klamroth mit seinem Vorgänger Frank Plasberg gebrochen hat. Im Streit zwischen den beiden geht es vor allem darum, wer die Sendung produzieren darf: die Produktionsfirma von Plasberg, wie bisher? Oder jene von Klamroth. Der hat sich zusammen mit dem WDR für letztere Variante entschieden.

Nun also ein neues Konzept. „Wut, Proteste, neue Parteien: Wer hält unser Land noch zusammen?“, war der erste Talk im neuen Setting überschrieben. Der Diskussion stellten sich: Sahra Wagenknecht (BSW), der Ostbeauftragte Carsten Schneider (SPD) sowie CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.

Bürger und Politiker – immer schwierig

Gleich zu Beginn offenbarte das neue „Hart aber fair“ eine Schwäche. Denn es geschah, was meistens geschieht, wenn Bürger auf Politiker treffen: Erstere beklagen sich, Letztere versprechen schnelle Lösungen.

Da war Zuhra Visnjic, Friseurmeisterin, die ihr Geschäft bedroht sieht. Alles werde immer teurer, man arbeite eigentlich nur noch und könne doch allenfalls bescheiden leben, kritisierte Visnjic. Das deutsche Geld aber gehe überall hin in die Welt. „Ich kümmere mich erstmal um meine eigenen Kinder“, stellte Visnjic einen Vergleich her. Applaus im Studio! Nun ja.

Wie gingen die versammelten Politiker damit um? Sie buhlten um die Gunst von Visnjic. Immerhin, Carsten Schneider versuchte es mit ehrlichen Worten. „Wir haben einfach kein Geld mehr“, sagte der SPD-Politiker mit Blick auf die vielen Hilfen für die vielen Krisen. Carsten Linnemann war da profaner. „Hier sind wieder Politiker, die reden, reden, reden“, stellte der CDU-Generalsekretär fest. Dabei sei es doch so: Was ausgegeben werde, müsse auch erstmal erwirtschaftet werden. Und überhaupt: Die Union werde das Bürgergeld wieder abschaffen!

Sarah Wagenknecht: Nichts als Fehler und Versagen

Ob es Frau Visnjic hilft, was Linnemann da in Aussicht stellte? Es wirkte nicht so, also weiter zu Sahra Wagenknecht, die das tat, was Sahra Wagenknecht immer tut: „Der Politik“ ein großes Versagen und nichts als Fehler zu unterstellen. Für Zuhra Visnjic hatte sie im Sinn, dass die Energiepreise sinken müssten. Denn klar: Die hohen Preise seien Folge einer schlechten Energiepolitik.

Gut war, dass der Gastgeber das zum Anlass nahm, Wagenknechts politische Haltung abzuklopfen. Mindestlohn? Ja, bei 14 Euro. Atomkraft? „Der Zug ist abgefahren.“ Erbschaftsteuer und höhere Reichensteuer? Ja, aber nur für die, die sehr viel Geld haben. Also jene mit mehreren hundert Millionen oder gar Milliarden Euro. Bloß niemandem wehtun! Sahra Wagenknecht war auch schon mal radikaler.

Die starken Momente des Louis Klamroth

Bis hierhin fiel es einigermaßen schwer, zuzuschauen. Doch Gastgeber Klamroth hatte auch starke Momente. Etwa, als er Linnemann an die Forderung der Union erinnerte, Klimakleber wegen ihrer Verkehrsblockaden stärker zur Rechenschaft zu ziehen. Müsste das nicht auch für die Bauern gelten? Da kam Linnemann ins Schwimmen.

Und Wagenknecht stellte Klamroth, indem er aus ihrer Parteitagsrede zitierte, in der sie ein weniger rohes Miteinander gefordert hatte – um gleichzeitig von der „dümmsten Bundesregierung“ zu sprechen.

Interessant war schließlich auch, was der Soziologe Nils Kumkar zu sagen hatte. Enttäuschung über die Politik habe es immer gegeben, allerdings sei sie nun sichtbarer, etwa durch Social Media. Dieser Effekt werde politisiert, etwa durch die AfD, so Kumkar. Und lasse sich dann kaum mehr einfangen, nicht mal durch gute Politik.

Das Fazit

Bürger ungefiltert auf Politiker loszulassen, hat schon beim alten „Hart aber fair“ nur selten funktioniert. Bei Louis Klamroth ist es ziemlich daneben gegangen. Diese Sendung war weniger hart, aber auch ein bisschen seltsam.

Das bedeutet aber nicht, dass das neue Konzept schlecht wäre. In vielen Nuancen zeigte sich durchaus Potenzial, insbesondere, als das Fachwissen von Klamroth selbst und dem Soziologen Kumkar auf die anwesenden Politiker traf. Daran kann angeknüpft werden. So aber war der Einstand des neuen „Hart aber fair“ solide, doch noch längst keine Kür.