Berlin. Bei Maischberger liefern sich Carla Hinrichs, Sprecherin der „Letzten Generation“, und CDU-Politiker Amthor ein heftiges Wortgefecht.

Natürlich wäre es eine enorme Überraschung gewesen, wenn die beiden Geladenen bei Maischberger zu einer spontanen Übereinkunft gekommen oder gar zu Freunden und Freundinnen geworden wären. Immerhin sind die Fronten schon zu Beginn klar: Carla Hinrichs ist Sprecherin der Letzten Generation und versucht seit Montag gemeinsam mit anderen Klimaaktivisten den Verkehr in Berlin lahm zu legen – Stichwort: Klimakleber –, um ihren Forderungen an die Politik Nachdruck zu verleihen. Philipp Amthor ist CDU-Politiker und nicht unbedingt der größte Klima-Fan. Er forderte bereits höhere Strafen für Aktivisten.

„Maischberger“: Das waren die Gäste

  • Frank Elstner, Showmaster und Fernsehmoderator
  • Carla Hinrichs, Sprecherin „Letzte Generation“
  • Philipp Amthor, CDU (Innenpolitiker)
  • Christian Ehrlich, Tierfilmer
  • Gerhard Delling, ARD-Sportmoderator
  • Rahel Klein, Deutschlandfunk Nova
  • Hannah Bethke, freie Journalistin

CDU-Politiker Amthor: Forderungen „viel zu lau“

Genauso überraschend war allerdings auch, dass Amthor die Forderungen der Letzten Generation als viel zu lau bezeichnete. Zumindest für die aktuelle Form des Protests. Er sehe eine „krasse Imbalance zwischen der radikalen Protestform und den geringen Forderungen“, betonte er bei Maischberger. „Dann machen sie es doch“, erwiderte die Moderatorin prompt, bekam allerdings kein klares Zugeständnis. Stattdessen wärmte Amthor an Hinrich gewandt, längst Vergangenes wieder auf: Anstatt sich für das 9-Euro-Ticket oder Tempolimit 100 auf der Straße festzukleben, hätte die Bewegung doch lieber für die Fortführung der Atomkraft demonstrieren sollen. Kleiner Seitenhieb von Maischberger: „Die Atomkraft haben sie abgeschafft“.

Aktivisten der Gruppierung
Aktivisten der Gruppierung "Letzte Generation" blockieren die A100, Autofahrer ziehen sie von der Straße. © Hannes Albert/dpa

Ebenso kritisch sah Amthor die Einführung eines Gesellschaftsrats, eine weitere Forderung der Letzten Generation. In ihm sollen zufällig ausgeloste Bürger aus ganz Deutschland sitzen, um gemeinsam zu erarbeiten, wie man bis 2030 aus den fossilen Energien aussteigen könnte. Unterstützt von Wissenschaftler:innen hätten sie das große Glück, nicht von Lobbys beeinflusst zu werden. Genauso wenig müssten sie sich um ihre nächste Wiederwahl sorgen, argumentierte Hinrich. „Sie denken nicht in Legislaturperioden, sondern im Hier und Jetzt.“

Diese Forderung sei ein „sehr merkwürdiges Demokratieverständnis“, meinte hingegen Amthor, der darin eine Delegitimierung des Parlaments befürchtet: „Wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen, braucht es dafür gesellschaftliche Akzeptanz. Das erzielen wir nicht, indem wir irgendwo ein identitätspolitisches gelostes Pseudo-Nebenparlament schaffen.“ Akzeptanz lasse sich in seinen Augen nur durch sachliche und vernünftige Diskussionen erreichen, nicht durch Straßenblockaden.

Carla Hinrichs: Warum Grenzen überschritten werden müssen

„Mir ist bewusst, dass ich Grenzen überschreite, aber wenn ich mir die Situation anschaue, ist mein Verhalten gerechtfertigt“, betonte Hinrichs und berichtete von einer Freundin, die gerade zu vier Monaten ohne Bewährung verurteilt worden sei. Ein Opfer, das auch sie bereit sei zu erbringen. „Für jeden Menschen, der in einer Zelle sitzt, werden sich fünf Menschen dem Widerstand anschließen, weil sie verstehen, worum es geht, das es um das Überleben geht“, meinte die Aktivistin.

Natürlich würden die Proteste stören, das sei kein Geheimnis. Doch sie seien notwendig. „Wir finden uns in einem Klimanotstand“, betonte sie mehrfach. Viel lieber würde auch sie darüber sprechen, wie man die Proteste beenden könnte: „Dadurch, das angemessener Klimaschutz gemacht wird.“ Zu Amthor gewandt: „Sie sitzen im Bundestag. Sie haben die Verantwortung, dass endlich etwas passiert.“

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Carla Hinrichs, Sprecherin der
Carla Hinrichs, Sprecherin der "Letzten Generation", nimmt an einen unangemeldeten Protest teil. © Hannes P. Albert/dpa

Letzte Generation: Grenzen Proteste an Gewalt?

Wie spannungsgeladen die klimapolitischen Diskussionen im Bezug auf die aktuelle Protestwelle in der Hauptstadt sind, zeigte auch die vorangegangene Diskussion zwischen den drei kommentierenden Gästen. Während Gerhard Delling, langjähriger ARD-Sportreporter, die gewählte Protestform der letzten Generation als Gewalt bezeichnete, da dadurch auch anderen Menschen vorsätzlich geschadet werde, sprach Deutschlandfunk-Nova-Moderatorin Rahel Klein von zivilem Ungehorsam. Dieser „muss stören und muss wehtun, sonst wäre es ja sinnlos. Sonst wäre es eine normale Demonstration.“ Sie fände es sogar bewundernswert, wie gewaltfrei die Demonstrierenden agieren würden, während sie bei ihren Aktionen bespuckt und getreten werden oder Motorradfahrer sie beinahe über den Haufen fahren.

Eine Romantisierung dieser Protestaktionen? So sieht es zumindest die freie Journalistin Hannah Bethke. Auch sie verstehe das Anliegen und die Furcht, die hinter dieser Protestform stecke. Allerdings sei es absolut kontraproduktiv, wenn durch solche Aktionen „die Akzeptanz in der Bevölkerung zunehmend sinkt und sich immer weniger für mehr Maßnahmen im Klimaschutz begeistern können.“