Erfurt. Jörg Pöse wechselte in der ersten Legislatur von der PDS zu Bündnis 90/Die Grünen. Die Landespolitik hat er längst hinter sich gelassen.

Jörg Pöse kommt nur nach Erfurt. Er lebt schon lange in Hessen, engagiert sich beruflich in der Jugendarbeit und im Bereich Fitness. Wenn er seine Eltern im südlichen Sachsen-Anhalt besucht, macht er gern im Thüringer Wald Station. Schön sei es da, sagt er. Zugleich fragt er sich, warum der bereits in den frühen 1990er Jahren ins Auge gefasste Waldumbau nicht viel weiter vorangeschritten ist… Und er sieht manches kritisch in der heute üblichen Klientelpolitik.

Pöse kennt sich mit Landespolitik aus. Vor 30 Jahren war er in Thüringen politisch aktiv: zunächst als Linker in der PDS-Fraktion im Landtag, dann bei Bündnis 90/Die Grünen. Eines seiner Themen: Landwirtschaft. Ihn interessierten auch außerschulische Bildung, Pädagogik und Kinderrechte. Pöse wollte noch zu DDR-Zeiten ins Babyjahr gehen und stieß auf völliges Unverständnis in SED-Kreisen.

Ein großes Thema, das ihn bis heute bewegt, ist die Frage der Repräsentanz aller Bürger; wie kann Mitbestimmung verbessert, wie direkte Demokratie ermöglicht werden kann? Wenn es nach Pöse ginge, würden in allen Parlamenten neben den Abgeordnetenbänken auch dauerhaft leere Stühle stehen, um daran zu erinnern, dass Politik auch für jene gemacht werden muss, die sich nicht an Wahlen beteiligen.

Pöse, 1962 in Eisleben geboren, hat Abitur mit Berufsausbildung gemacht: Als Facharbeiter für chemische Produktion hätte er gerne Chemie studiert. Aber daraus wurde im Land der gelenkten Studienwünsche nichts. So kam Pöse zum Marxismus-Leninismus. Lehrer werden wollte er nicht. Er war Ende der 1980er dann als Diplom-Philosoph an der kritischen Marx-Engels-Gesamtausgabe beteiligt. Vor dem Studium hatte er sich für drei Jahre verpflichtet, um dem Wehrdienst an der Grenze zu entgehen. Er landete beim Wachregiment „Feliks Dzierzynski“; Objekt- und Personenschutz gehörte zu den Aufgaben.

Pöse heiratete 1988 eine Erfurterin, wurde 1989 Vater, war 1990 bereits wieder geschieden – und ist später auch deshalb nach Hessen gegangen, um seiner kleinen Tochter nahe zu sein.

In den End-80ern versuchte Pöse seinen eigenen Weg zu gehen: Ihn interessierte nicht, wie sich die SED in die neuen Zeiten retten konnte. Er hoffte darauf, dass linke Politik möglich würde. Als er 1989 die GST (Gesellschaft für Sport und Technik) verließ, brachte ihm das noch einen Rüffel ein. Im Winter 1990 gab Pöse seinen Posten auf und begann als Hilfsarbeiter bei der Post in Erfurt. Zugleich engagierte er sich politisch und wurde als einer von neun Abgeordneten des Linke Liste-PDS Mitte Oktober 1990 in den Thüringer Landtag gewählt.

Pöse ist gut in Erinnerung, was damals möglich war: über die Grenzen der Fraktion hinweg miteinander reden und nach Lösungen suchen. Das fand aus seiner Sicht ein Ende mit der zunehmenden Professionalisierung der Landespolitik, als Bernhard Vogel an die Stelle des ersten Ministerpräsidenten Josef Duchac (beide CDU) trat. Pöse erinnert sich an einen Termin im Landtag: Da habe Kanzler Helmut Kohl alle Landräte um sich versammelt. Er habe, sagt Pöse, erst im Verlauf der Veranstaltung verstanden, dass es nur noch um Parteipolitik ging…

Pöse wechselte zu Bündnis 90/Grüne, als deren der Fraktionsstatus durch das Ausscheiden zweiter Abgeordneter abhanden zu kommen drohte. 1994 war für Pöse Schluss mit Landespolitik. Er findet noch immer, dass Politik sich stärker um die Anliegen aller kümmern müsse. Deshalb ist er auch nicht für die Verkleinerung des Bundestages.