Berlin. Kurz vor Weihnachten gibt es nach Angaben eines Mediziners eine hohe Nachfrage nach der Abnehmspritze Wegovy. Wieso das bedenklich ist.

Die Feiertage stehen bevor – und damit nicht nur eine besinnliche Zeit mit den Liebsten, sondern auch Essen, Essen und noch mehr Essen. Nur wenige Tage später lautet einer der beliebtesten Vorsätze für das neue Jahr daher: abspecken. Anstatt dabei jedoch auf eine gesündere Ernährung und mehr Sport zu setzen, gibt es momentan einen anderen Trend im Kampf gegen die überschüssigen Kilos: abnehmen nur mit Hilfe einer Spritze.

„Wegovy“ heißt das angebliche Wundermittel, das Anfang des Jahres als Abnehmspritze der Stars gefeiert wurde. Seit rund fünf Monaten ist das verschreibungspflichtige Medikament auch in Deutschland erhältlich. Die Anfragen danach würden seitdem durch die Decke gehen, wie die medizinische Plattform GoLighter nun berichtet. Seit dem Start der Abnehmhilfe für Menschen mit Adipositas sei die Nachfrage bei ihnen um 800 Prozent gestiegen, so Dr. Sven Jungmann, leitender Arzt der Adipositas-Therapien von GoLighter.

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Wegovy: Deshalb steigt die Nachfrage kurz vor Weihnachten besonders stark

Als häufigsten Grund für die Anwendung würden die Anfragenden „den Wunsch nach einer möglichst effektiven Diät“ nennen, so der Arzt. Eine weitere Motivation sei „die appetitzügelnde Wirkung“ des neuen Medikamentes. Aus diesem Grund sei die Nachfrage nach Wegovy vor allem in letzter Zeit noch einmal deutlich gestiegen. Denn Interessierte würden laut Jungmann mit Hilfe der Spritze anstreben, „schon während der Feiertage weniger zu essen und damit weniger Kalorien zu sich zu nehmen“.

Der in Wegovy enthaltene Wirkstoff Semaglutid wirkt nach Angaben der europäischen Arzneimittelagentur EMA im Körper auf die gleiche Weise wie ein natürliches Hormon und scheint unter anderem den Appetit zu regulieren. Laut EMA soll Wegovy in Kombination mit Ernährungsumstellung und körperlicher Aktivität verwendet werden. Obwohl die Kosten bisher nicht von den Krankenkassen übernommen berichten neben Jungmann auch andere Ärztinnen und Ärzten von einiger Nachfrage in Deutschland.

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    Wie viele Menschen das Präparat Wegovy schon anwenden, lässt sich bisher aber nicht beziffern, wie Anfragen der Deutschen Presse-Agentur beim Hersteller, medizinischen Fachgesellschaften und der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) ergaben. Mehrere Stellen berichten von zeitweisen Lieferengpässen oder der Sorge davor. Manche Experten gehen von mehreren Tausend Spritzen für den deutschen Markt aus, der Hersteller selbst macht auf Anfrage keine Angaben.

    Sixtus Allert, Plastischer Chirurg und Ärztlicher Direktor des Sana Klinikums Hameln-Pyrmont, fürchtet mit Blick auf Wegovy und Ozempic – letzteres ist ein Diabetes-Medikament, das oft in einem Atemzug mit der Adipositas-Spritze genannt wird –, dass es in einem Grauzonenmarkt „unglaublich viele Anwendungen“ gebe.

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    Die Mittel werden Allert zufolge teils als einfacher Weg angepriesen, um einige wenige Kilos ohne Sport und Diät abzunehmen. „Da läuft viel über das Internet und über Kollegen, die wenig Skrupel haben und Dinge tun, die medizinisch nicht gerechtfertigt sind“, sagte der Vorstand der Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen (VDÄPC).

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    Diese Beobachtung macht auch Jungmann und betont daher, dass die neuen Präparate und Therapiemöglichkeiten sich „ausschließlich an Adipositas-Betroffene“ richten. „Eine Voraussetzung für die ärztliche Verschreibung ist ein Body-Mass-Index, der über dem Kennwert von 30 liegt“, erklärt der Arzt. Obwohl der nun vor Weihnachten und Neujahr aufkommenden Abnehm-Vorsatz laut Jungmann zwar „grundsätzlich richtig und wichtig“ sei, appelliert er deswegen an die Verbraucherinnen und Verbraucher: „Eine medikamentöse Unterstützung sollte nur dann in Anspruch genommen werden, wenn dies auf ärztlichen Rat erfolgt.“

    Zu den bereits bekannten Nebenwirkungen von Wegovy zählen unter anderem Übelkeit, Kopfschmerzen und Verstopfung. Außerdem zeigt eine klinische Studie, dass die Kilos nach dem Absetzen des Abnehm-Wirkstoffs zurückkommen. Andere Langzeitfolgen der wöchentlichen Spritzen sind laut Fachleuten noch nicht abzuschätzen.