Weimar. Derzeit werden durch das Projekt „Weimars Gute Nachbarn“ etwa 30 Senioren betreut. Telefonketten sichern den täglichen Kontakt. Auch regelmäßige Treffen aller Teilnehmer gibt es.

Jeden Morgen um halb acht greift Heidi aus Weimar zum Hörer und ruft erst einmal eine ältere Dame an, die noch gar nicht so lange zu ihrem Bekanntenkreis gehört. Die beiden Frauen wünschen sich fröhlich einen Guten Morgen und tauschen sich kurz darüber aus, wie es ihnen geht und was es Neues gibt – dann verabschieden sie sich. Heidi legt auf, und ihre Gesprächspartnerin wählt eine neue Nummer: die einer Seniorin, die ebenfalls allein lebt und niemanden hat, der häufiger nach ihr schaut.

So geht es weiter, bis nach knapp einer Stunde der sechste Teilnehmer der Runde wieder bei Heidi anklingelt und ihr damit signalisiert: Alles in Ordnung, mir geht es gut. Mitunter hat sich in der Runde auch eine Verabredung für den Nachmittag ergeben, um länger zu plaudern, vielleicht auch gemeinsam spazieren zu gehen oder einen Kaffee zu trinken. Regelmäßige Treffen aller Teilnehmer gibt es – ganz nach Wunsch – sowieso.

Die Telefonkette ist eine von zweien, die vom Projekt „Weimars Gute Nachbarn“ der Bürgerstiftung Weimar initiiert wurde. Sabine Meyer, die eine Teilzeitstelle in dem Projekt hat, organisiert gerade die dritte. Die 36-Jährige weiß, dass das keine Weimarer Erfindung ist: Telefonketten gibt es auch in anderen Städten, und auch in Weimar haben Familien und Freundeskreise so etwas schon privat organisiert.

Durch „Weimars Gute Nachbarn“ wird Sicherheit vermittelt

Die Telefonketten von „Weimars Gute Nachbarn“ sind aber insofern etwas Besonderes, als sie von Sabine Meyer für Senioren geknüpft wurden, die sich gar nicht kannten. Die sich aber entweder von allein oder auf Vermittlung etwa von Wohnungsgesellschaften an die Bürgerstiftung gewandt haben, weil sie sich einsam fühlen und gerne jemanden hätten, der wie ein guter Nachbar regelmäßig nach ihnen schaut und ihnen auf diese Weise Sicherheit vermittelt. „Oft wünschen sich Menschen, die nur wenige soziale Kontakte haben, dass sie sich mindestens einmal am Tag mit jemandem unterhalten können“, erzählt Sabine Meyer. Für viele dieser Senioren könne die Bürgerstiftung ehrenamtliche Helfer finden, die sich Zeit für einen Plausch nehmen, kleine Besorgungen übernehmen, mit den Senioren spazieren gehen oder sie zum Arzt und bei Behördengängen begleiten. Doch in manchen Fällen sei das einfach nicht zu leisten: Entweder könnten die Ehrenamtlichen nicht so viel Zeit wie gewünscht erübrigen oder die Senioren wohnen zu abgelegen. Um trotzdem schnell Abhilfe zu schaffen, schlägt Sabine Meyer dann vor, die Senioren in eine Telefonkette einzubinden – und dennoch parallel weiter nach einem Helfer zu suchen, der zu ihnen und ihren Bedürfnissen passt.

Wichtig ist, dass jede Telefonkette einen Kapitän oder eine Kapitänin wie Heidi hat – eine vertrauenswürdige Person, die nicht nur die Telefonnummern aller Teilnehmer hat, sondern auch die Kontaktdaten von Angehörigen, Ärzten oder ambulanten Pflegediensten, die dann zu benachrichtigen sind, wenn auch nach mehrmaligen Versuchen niemand abnimmt. Nicht zuletzt legt der Kapitän oder die Kapitänin die Reihenfolge fest, in der sich die Teilnehmer anrufen, und bindet neue Teilnehmer mit ein. „Für den Aufwand, der damit verbunden ist, erhalten die Kapitäne von uns eine kleine Entschädigung“, sagt Sabine Meyer.

Die zwei Damen, die die Kapitäninnen der ersten beiden Telefonketten sind, nutzen dieses Geld für Treffen, zu denen die Runden ein- oder zweimal im Monat zusammenkommen.

„Es ist eine wundervolle Arbeit“

Den Kapitänen signalisieren die Teilnehmer der Telefonketten auch, wenn sie beispielsweise einen Arzttermin haben und deshalb nicht zu erreichen sind. „Manchmal wird das natürlich auch vergessen“, erinnert sich Sabine Meyer an einen Fall, als die Telefonkette in ihrer Not die Polizei alarmierte, die Beamten durch ein Fenster in die Wohnung kletterten – und dort niemanden antrafen. Der Bewohner war bloß bei seinem Doktor gewesen. „Trotzdem waren die Polizisten nicht sauer. Im Gegenteil: Sie finden unsere Telefonketten sehr gut.“

Derzeit werden durch das Projekt „Weimars Gute Nachbarn“ etwa 30 Senioren betreut – und genauso viele ehrenamtliche Helfer gibt es auch. Die geeigneten Paarungen zusammenzustellen, erfordere viel Fingerspitzengefühl, bestätigt Sabine Meyer. „Aber es ist eine wundervolle Arbeit“, sagt sie auch mit Blick auf die Vorgespräche mit den Senioren, die sehr dankbar dafür seien, dass sich endlich einmal jemand für sie und ihre Lebensgeschichte interessiert.

Die Seniorenbegleiter erwerben während ihrer Tätigkeit ein Zertifikat, das sie als Helfer ausweist und ihnen die nötigen Fähigkeiten attestiert, und sie tauschen sich bei regelmäßigen Treffen über ihre Erfahrungen aus. Dabei entstehen genauso Freundschaften wie andererseits unter den Senioren.

Sabine Meyer freut sich, dass das Ganze so gut läuft. Doch wie bei vielem im Leben braucht es dafür ein finanzielles Unterpfand, Zeitspenden allein reichen nicht, damit das Projekt gelingt. Pro Jahr sind dafür 10.000 Euro an Eigenmitteln nötig. Deshalb sind Geld- und Sachspenden – ob von Unternehmen oder Privatpersonen, die etwa runde Geburtstage begehen oder aus einem anderen Anlass Spenden sammeln – ebenso wie konkrete Projektpatenschaften jederzeit sehr willkommen.

Spendenkonto Weimars Gute Nachbarn; IBAN: DE74 8205 1000 0163 0514 37; BIC: HELADEF1WEM

Alle Beiträge zur TLZ-Aktion: www.tlz.de/gutenachbarn

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