Berlin. Lenia Soley ist Sexarbeiterin und Escort. Welche Kunden die 27-Jährige am häufigsten buchen und wie sie für ihre Sicherheit sorgt.

  • Lenia Soley ist Sexarbeiterin
  • Sie sagt: Sexarbeit ist ein Job wie jeder andere
  • Im Interview erzählt sie, wer ihre Lieblingskunden sind und wie ihr Vater auf ihren Job reagiert

Lenia Soley arbeitet unter diesem Künstlernamen als Sexarbeiterin in Berlin. Im Interview erzählt die 27-Jährige, warum ihr Vater erleichtert war, als sie ihm von ihrem neuen Job erzählte und wie sie ihre Sicherheit auf der Arbeit garantiert.

Laut Schätzungen gibt es mehr als 250.000 Prostituierte in Deutschland, von denen die wenigsten über offizielle Stellen gemeldet sind. Viele davon werden unter falschen Versprechungen nach Deutschland gebracht und zur Prostitution gezwungen. Soley hingegen arbeitet als unabhängige Escort und hat damit Freiheiten und Sicherheiten, die viele andere in dem Umfeld nicht haben.

Was machen Sie beruflich?

Lenia Soley: Beruflich stehe ich auf mehreren Standbeinen. Ich bin Sexarbeiterin oder Independet Escort. Das heißt, ich vermarkte mich selbst auf meiner eigenen Website. Zusätzlich betreibe ich zusammen mit meiner Kollegin Luisa einen Podcast mit dem Ziel Sexarbeit zu entstigmatisieren und generell über Sex zu sprechen. Sexualität beschäftigt mich viel. Ich gebe auch Workshops und Frauen-Sex-Retreats und mache zur Zeit eine Sexualtherapieausbildung.

Was sind Ihre Lieblingstermine als Escort?

Soley: Ich mag die Dates über zwei, drei Stunden mit neuen Kundinnen und Kunden gerne, weil das für mich etwas Verruchtes hat und ich neue Menschen kennenlernen kann. Ich habe aber auch einen Stammkunden, den ich seit drei Jahren regelmäßig für zwei, drei Stunden treffe und das ist immer total vertraut. Bei Fünf-Stunden-Dates geht man ein bisschen tiefer. Ich habe diese Art von Dates oft mit "Absolute Beginners", also mit Menschen, die zwischen 20 und 30 Jahren alt sind und noch nie Sex hatten oder geküsst wurden. Da ist dann beim ersten Mal im Hotel alles super aufregend. Danach geht man was essen, kann darüber reden und anschließend noch mal entspannter Dinge ausprobieren.

Lesen Sie auch: Escort erklärt: Das können Paare aus meiner Arbeit lernen

Von welchen Menschen werden Sie am häufigsten gebucht?

Soley: Ich ziehe vor allem Menschen an, die sich etwas Zärtliches wünschen. Das sind dann manchmal Leute, die schüchtern oder unsicher sind, und jemanden wollen, bei dem sie keine Angst haben müssen. Der Standard wäre aber der 50-jährige Mann, der seit zehn Jahren verheiratet ist und keine körperliche Intimität mehr in seiner Beziehung hat. Er mag die Beziehung aber gerne, das Paar wohnt zusammen, hat Kinder und er will keine Affäre anfangen, weil er emotional mit seiner Partnerin verbunden ist. Er kommt dann zu mir, um einfach ganz normalen Sex zu haben. Ich habe selten Leute mit Sonderwünschen. In letzter Zeit hatte ich mehrere Pärchen, die einen Dreier haben wollten. Insgesamt bin ich aber total offen, wen ich treffe. Bei Terminen geht es ganz typisch nach dem First-Come-First-Serve-Prinzip.

Sexarbeiterin Lenia Soley sagt, dass ihre Arbeit sicherer sei als jedes Tinder-Date.
Sexarbeiterin Lenia Soley sagt, dass ihre Arbeit sicherer sei als jedes Tinder-Date. © Privat | Privat

Escort verrät: Das hält mein Vater von meinem Job

Beruflich Leute zu treffen, hat für Sie also nicht nur eine körperliche, sondern auch eine emotionale Komponente?

Soley: Oft ist es großteils eine emotionale Komponente. Es geht auch darum, sich bei jemandem sicher und akzeptiert fühlen, sich überhaupt fallen lassen zu können und jemand anderem zu vertrauen. Häufig sind das dann Leute, die denken, dass sie beim Sex zu früh kommen oder sie können gar nicht kommen. Da ist ein Beziehungsaufbau dann besonders wichtig.

Wie hat Ihr Umfeld reagiert, als Sie von Ihrem neuen Job erzählt haben?

Soley: Meine Freundinnen und Freunde sind sowieso progressiv und fanden es vor allem interessant. Die haben sich nicht groß gewundert. Meine Eltern haben auch total entspannt reagiert. Mein Papa unterstützt mich in allem, was ich mache. Er ist Pazifist und als ich ihm gesagt habe, dass ich einen neuen Job habe und das jetzt vielleicht schwierig für ihn wird zu hören, da hatte er vor allem Angst, dass ich beim Militär arbeite. Als ich dann meinte, dass ich Sexarbeiterin bin, war er also erleichtert. Trotzdem hatte er natürlich ganz viele Sorgen um meine Sicherheit. Zu dem Zeitpunkt hatte ich schon ein halbes Jahr Erfahrung und dann habe ich ihm das einfach alles erklärt. Seitdem ist er immer sehr neugierig und interessiert. Meine Stiefmama meinte nur, dass es zu mir passt und meinem Bruder war das relativ egal. Ich erzähle immer von meinem Beruf, wenn mich jemand fragt oder ich denke, das könnte irgendwie wichtig sein.

Lesen Sie auch: Wie Sex nach Kalender Paaren neuen Liebesschwung gibt

Wie garantieren Sie Ihre Sicherheit?

Soley: Prinzipiell ist meine Arbeit erstmal sicherer als jedes Tinder-Date. Ich bekomme zunächst eine Anzahlung auf mein Konto. Das heißt, ich habe den kompletten Klarnamen von der Person. Zusätzlich checkt die Person mit ihrem Ausweis in einem Hotel ein, also einem öffentlichen Ort. Wenn jemand irgendjemandem was antun wollen würde, dann wäre Escort die dümmste Idee dafür, weil du schwarz auf weiß hast, wer das ist. Ich biete keine Hausbesuche an und treffe mich nur an öffentlichen Orten. Wer jemanden über Tinder privat zu Hause trifft, ist da wesentlich unsicherer. Wenn ich bei jemandem ein komisches Bauchgefühl habe, dann haben wir ein Netzwerk untereinander, in dem ich fragen kann, ob jemand die Person kennt. Oft haben wir auch Date-Buddys. Bei mir ist das meine Kollegin Luisa. Wenn ich jemanden das erste Mal treffe, dann sage ich ihr Bescheid und schreibe ihr, wenn ich aus dem Date raus bin oder schicke ihr meinen Live-Standort. Ich kenne mittlerweile hunderte von Escorts und ich habe noch nie von einer gehört, der irgendwas passiert ist. Man muss aber auch lernen, gut für seine Grenzen einzustehen, wenn jemand versucht, sie zu übertreten. Genau wie im Privaten.

Sexarbeiterin Lenia Soley zeigt ihr Gesicht, weil sie ihre Arbeit normalisieren möchte.
Sexarbeiterin Lenia Soley zeigt ihr Gesicht, weil sie ihre Arbeit normalisieren möchte. © OH HONEY ART | OH HONEY ART

Escort erklärt: Sexarbeit ist ein Job wie jeder andere

Warum haben Sie sich dafür entschieden, bei Ihrer Arbeit erkennbar zu sein?

Soley: Ich habe mich dafür entschieden, weil ich das Privileg habe, das machen zu können, da ich selbstständig arbeite. Das heißt, ich habe keinen anderen Hauptarbeitgeber, bei dem ich Angst haben müsste, gefeuert zu werden, wenn er oder sie das herausfinden würde. Außerdem habe ich eine Familie und Freundinnen, die hinter mir stehen und muss keine Angst haben, verstoßen zu werden. Ich will dieses Privileg nutzen, um meine Arbeit zu normalisieren. Jedes Mal, wenn ich mich mit verdecktem Gesicht zeige, dann wirkt es, als müsste ich mich damit verstecken. Ich tue jetzt so, als wäre es das Normalste der Welt, was es für mich auch ist, damit es dann irgendwann auch in der Gesellschaft so gesehen wird.

Wie wichtig ist Ihnen ein Netzwerk unter Frauen, die eine ähnliche Arbeit machen?

Soley: Ich finde es enorm wichtig. Sexarbeit ist ein Job wie jeder andere, aber irgendwo auch nicht, weil die Arbeit sehr nahgeht. Ähnlich wie bei Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten, die aber regelmäßig Supervisionen bekommen. Bei Sexarbeitenden ist das Problem, dass es Menschen gibt, bei denen niemand im Umfeld weiß, was sie beruflich machen. Ich glaube aber, dass es super wichtig ist, über unsere Erlebnisse zu sprechen. Es passieren eben manchmal Sachen, die du scheiße oder die du mega schön findest, die du dann mit jemandem teilen willst. Es braucht andere Menschen, die sich auskennen und zu dir stehen, wenn Kundinnen und Kunden, die Agenturleitung und nicht zuletzt du selbst, deine Grenzen überschreiten.

Wie kann deiner Meinung nach Menschen geholfen werden, die zu Sexarbeit gezwungen werden?

Soley: Was gegen Ausbeutung helfen kann, ist vor allem Aufklärung zum Beispiel über die Tricks, mit denen Menschen in die Sexarbeit gezwungen werden, wie die "Loverboy Methode". Die "Loverboy-Methode" ist eine Form des Menschenhandels mit dem Ziel der der sexuellen Ausbeutung. Sogenannte Loverboys sind Menschenhändler, die gezielt Mädchen und junge Frauen ansprechen, um sie sexuell auszubeuten und finanziell davon zu profitieren. Häufig täuschen sie die große Liebe vor und machen Betroffenen Komplimente und Geschenke, um sie in ein Abhängigkeitsverhältnis zu bringen (Erklärung, Anm. der Redaktion).

Außerdem braucht es eine Entstigmatisierung und Enkriminalisierung. Da es in Deutschland Sperrbezirke und eine Meldepflicht gibt, ist die Hürde viele größer, zur Polizei zu gehen und Hilfe zu suchen, falls man diesen Regeln nicht nachkommt. Zusätzlich erschwert das Stigma Menschen den Ausstieg aus dem Umfeld. Mit einem Lebenslauf, in dem steht, dass man die letzten fünf Jahre als Prostituierte gearbeitet hat, ist es schwierig einen neuen Job zu finden. Ein gutes Netzwerk von Kollegen und Kolleginnen zu haben, ist ebenfalls wichtig. So ist die Arbeit in einem Bordell oder einer gemeinsam gemieteten Wohnung sicherer als allein auf der Straße. Darüber hinaus gibt es viele Beratungsstellen, bei denen man sich kostenlos Hilfe suchen kann, und Gesundheitsämter bieten in vielen Städten kostenlose HIV- und STI Tests für Sexarbeitende an.

Auch interessant:Offene Beziehung – Paar gibt Einblicke in seine offene Ehe