Erfurt. Eine Mutter will mehr Mitbestimmung der Eltern erreichen. Doch Bildungsgewerkschafter haben zum Teil Vorbehalte.

Die Petition einer Mutter aus dem Wartburgkreis, mit der sie mehr Mitbestimmung für Eltern bei der Einschulung ihrer Kinder fordert, stößt auf ein unterschiedliches Echo. Eltern, die ebenfalls ein im Sommer geborenes Kind haben, das dem Stichtag nach schulreif sein sollte, aber ihrer Meinung nach noch nicht soweit ist, begrüßen den Vorstoß von Marie-Luise Otto. Knapp 1000 Unterstützer hat sie bereits gewonnen, die meisten aus Thüringen. Bei Bildungsgewerkschaftern dagegen stößt das Ansinnen – über das wir jüngst berichtet haben – auf ein geteiltes Echo. Das zeigt, wie ungewöhnlich der Fall aus Westthüringen ist.

Vertreter der Bildungsgewerkschaften GEW und Thüringer Lehrerverband (tlv) reagieren zurückhaltend auf die Forderung, in Thüringen den Eltern die letzte Entscheidung darüber zuzubilligen, ob ihr Kind bei der Einschulung einmalig um ein Jahr zurückgestellt wird. Man habe eine ambivalente Haltung zu diesem Ansinnen, sagt der Sprecher des Landesverbandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Michael Kummer. „Zum einen kennen Eltern ihre Kinder am besten, andererseits fehlt vielen Eltern aber genau deswegen auch die Distanz, um ihr Kind objektiv einzuschätzen.“ Gerade die vielfachen Fehleinschätzungen durch Eltern beim Übergang ihrer Kinder an die Gymnasien zeigten dieses Problem. „Diese notwendige professionelle Distanz ist aber üblicherweise bei Fachpersonal vorhanden“, sagt Kummer. Eine Sprecherin des Thüringer Lehrerverband äußert sich noch kritischer zu der Forderung der Petition.

Einschätzung der Amtsärztin

Marie-Luise Otto möchte erreichen, dass der Elternwille bei allen Kindern entscheidend ist, die zwischen dem 1. Mai und dem 31. Juli eines Jahres sechs Jahre alt werden. Bislang entscheiden im Freistaat die Schulleiter der Schule, an die das Kind eingeschult soll, darüber, ob es zu einer Rückstellung kommt oder nicht. Eltern müssen, wenn sie damit nicht einverstanden sind, gegen eine solche Entscheidung klagen.

Das derzeit noch fünfjährige Kind der Mutter soll nach dem Willen seiner Eltern ein weiteres Jahr im Kindergarten verbringen. Auch seine Kindergärtnerinnen und die den Jungen betreuende Logopädin halten das für besser.

Die zuständige Schulleiterin dagegen hält den Jungen, der im Sommer sechs Jahre alt wird, für schulreif und verlangt, dass er ab dem Schuljahr 2019/20 die Schule besucht. Einen Antrag der Eltern auf Zurückstellung des Kindes hat sie abgelehnt; auch gestützt auf eine Einschätzung der Amtsärztin.

Elternwille sollte nicht übergangen werden

Die Sprecherin des tlv, Juliane Moghimi, erklärt, ihr Verband finde es richtig, dass Eltern nicht allein das letzte Wort beim Zeitpunkt der Einschulung hätten. „Wobei die Betonung auf ‚allein‘ liegt“, sagt sie. Zwar würden Eltern ihre Kinder am besten kennen. „Aber macht sie das automatisch auch zu Experten für Entwicklungspsychologie, Logopädie, Pädiatrie?“ Hinzu komme, dass der Blick auf das eigene Kind nicht selten verschleiert sei, weil dabei „sehr starke Gefühle im Spiel sind“. Es brauche einen Blick von außen auf die Kinder.

In dem Fall in Westthüringen gelingt es seit Monaten nicht, eine einvernehmliche Position um die Einschulung des Kindes zu finden. Dabei, erklären sowohl Kummer als auch Moghimi, es sei doch so, dass in solchen Fragen der Elternwille nicht übergangen werden solle, sondern gemeinsam die individuell beste Lösung für das Kind gefunden werden müsse. Kummer sagt, bei Fragen zum Einschulungstermin seien „Eltern ein wichtiger Partner für die Pädagogen, Psychologen und Mediziner“.

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Mehr Infos unter www. openpetition.de/petition/ online/gegen-zwangseinschulung-von-sommerkindern-in-thueringen