Berlin. Waren die Menschenarten vor uns nicht nur Nomaden, sondern bauten sie sogar Häuser? Forscher sind von einem Fund aus Afrika begeistert.

In einer Höhle irgendwo in Afrika scharrt sich eine Gruppe in Felle eingewickelter Menschen um ein kleines Feuer. Draußen prasselt der Regen, innen beleuchten die Flammen nur schwach die dunklen Höhlenwände. In unverständlichen Lauten wird sich eine Geschichte erzählt, schließlich legen sich die Urmenschen auf den kalten Steinen schlafen. So oder so ähnlich illustrieren viele Lehrbücher das Leben der ersten Menschen in der Steinzeit: ziemlich ungemütlich. Diese frühen Menschenarten lebten demnach in Höhlen oder anderen natürlichen Unterschlüpfen, jagten hin und wieder ein Mammut und schlugen sich mit Keulen die Köpfe ein.

Zwei mindestens 467.000 Jahre alte Holzstämme könnten mit diesen Mythen nun vollständig aufräumen. Archäologen der University of Liverpool fanden die Hölzer an den Kalambo-Wasserfällen in Sambia. Laut einem Statement der Forscher handelt es sich bei ihnen um die älteste Holzkonstruktion der Menschheitsgeschichte. Die Holzstämme seien mit Steinwerkzeugen bearbeitet worden, damit sie ineinander fassen, und gehörten wohl zu dem Fundament eines Hauses oder einer Plattform.

Mit einem ungefähren Alter von einer halben Million Jahre muss das Holz schon vor der Evolution des modernen Menschen bearbeitet worden sein. Dies würde bedeuten, dass eine andere Menschenart bereits lange vor den Homo sapiens Konstrukte aus Holz anfertigte. Bisher war den Forschern aus dieser Zeit nur bekannt, dass die Urmenschen Holz zur Herstellung von Speeren oder zum Feuermachen verwendeten.

"Steinzeit": Waren unsere menschlichen Vorfahren nicht nur Nomaden?

Dass die Archäologen das Holz überhaupt nach all der Zeit in diesem Zustand fanden, verdanken sie außerordentlich glücklichen Umständen. Konstant hohe Wasserstände an den Kalambo-Fällen konnten das Holz vor dem Verrotten bewahren. Laut der im Wissenschaftsmagazin "Nature" veröffentlichten Studie stellt die Entdeckung eine traditionelle Annahme in Frage.

Die zwei Holzstämme waren durch Steinwerkzeuge wohl so bearbeitet worden, dass sie ineinander fassten.
Die zwei Holzstämme waren durch Steinwerkzeuge wohl so bearbeitet worden, dass sie ineinander fassten. © University of Liverpool

So könnten Menschenarten bereits vor dem Übergang zur Landwirtschaft 10.000 v. Chr. in Häusern und festen Siedlungen gelebt haben. Dafür sprechen die idealen Bedingungen, die die Kalambo-Fälle bieten. Der Wasserfall versorgte demnach die Menschen mit frischem Wasser, während der umliegende Wald sich bestens für die Nahrungsuche eignete.

"Dieser Fund hat verändert, wie ich über unsere frühen Vorfahren nachdenke. Vergessen Sie das Label 'Steinzeit', kommentiert Professor Larry Barham, Archäologe von der University of Liverpool, die Entdeckung in dem Statement. "Sie benutzten ihre Intelligenz, Vorstellungskraft und Fähigkeiten, um etwas zu erschaffen, das sie noch nie zuvor gesehen hatten, etwas das nie zuvor existiert hatte". Der Umstand, dass sie ihre Umgebung veränderten, um sich das Leben zu erleichtern, sei bemerkenswert. "Diese Leute waren uns ähnlicher, als wir bisher dachten", so Barham.

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Sonnenlicht-Methode: Ungewöhnliche Altersbestimmung der Holzstämme

Wissenschaftler der Aberystwyth University unterstützten die Archäologen bei der Altersbestimmung des Holzes. Dafür bedienten sie sich einer neuen "Lumineszenz"-Technik, mit der sie den Zeitpunkt ermitteln können, an dem die Sandschichten neben den Holzstämmen das letzte Mal Sonnenlicht ausgesetzt waren. Bereits 1960 seien andere Holzstücke von den Kalambo-Fällen untersucht worden, konnten jedoch damals nicht zeitlich eingeordnet werden. Den Durchbruch brachte erst die neue Sonnenlicht-Methode.

Bald Weltkulturerbe? Der 235 Meter hohe Kalambo-Wasserfall in Sambia ist wohl einer der ältesten Siedlungsplätze der Menschheit.
Bald Weltkulturerbe? Der 235 Meter hohe Kalambo-Wasserfall in Sambia ist wohl einer der ältesten Siedlungsplätze der Menschheit. © University of Liverpool

Die 235 Meter hohen Kalambo-Fälle liegen in Sambia an der Grenze zu Tansania und dem Tanganjikasee, dem zweitgrößten See Afrikas. Der Ort ist wegen seiner archäologischen Bedeutung Anwärter auf einen Eintrag als UNESCO-Weltkulturerbe. Die neuen Funde seien laut den Archäologen ein starkes Argument für den Status als Weltkulturerbe.

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