Berlin Ab dem 1. September sollen Apotheken deutschlandweit mit dem E-Rezept arbeiten. Wie funktioniert es und was ändert sich beim Arzt?
- Ab heute kann man sich das E-Rezept ausstellen und beim Arzt eintauschen
- Aber zum Start wird es noch gewaltig ruckeln
- Was müssen Sie alles wissen? Wir zeigen, wie sich Ihr Arztbesuch jetzt ändert
Die Hoffnungen auf einen guten Start haben bereits vor dem offiziellen Beginn der flächendeckenden Einführung des E-Rezepts einen herben Dämpfer erhalten: Mit Schleswig-Holstein zieht sich ein erstes Bundesland aus dem Vorhaben für ein digitales Kassenrezept zurück. Grund dafür ist der Datenschutz, wie die Kassenärztliche Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH) jetzt mitteilt.
Dabei sollte in deutschen Arztpraxen und Apotheken bald vieles einfacher werden: Ab dem 1. September können Patientinnen und Patienten ihre Medikamente über das E-Rezept abholen. Das digitale Rezept löst den rosa Zettel ab. Die Erwartungen sind groß.
Arztbesuch ab 1. September wird anders: Das ist das E-Rezept
Das E-Rezept klingt kompliziert, der Ablauf ändert sich allerdings nicht so sehr: Künftig sollen Ärzte und Ärztinnen verschreibungspflichtige Medikamente nicht mehr per Papierrezept verordnen, sondern auf einem digitalen Rezept. Dieses wird verschlüsselt auf einem zentralen Speicher abgelegt.
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Anschließend gibt es verschiedene Möglichkeiten für die Patienten und Patientinnen, um das E-Rezept in der Apotheke einzulösen: Personen ohne Smartphone können den Code des E-Rezeptes in der Arztpraxis auf Papier ausdrucken und anschließend in der Apotheke einlesen lassen. Auch über die elektronische Gesundheitskarte sollen die Apothekerinnen und Apotheker die Digitalrezepte ablesen können.
Die wohl einfachste Art dürfte aber die E-Rezept-App sein, die die Firma Gematik für das Bundesgesundheitsministerium entwickelt hat. Das Ministerium hält 51 Prozent der Anteile an Gematik.
Wer kann sich die E-Rezept-App herunterladen?
Die App können sich Patienten und Patientinnen auf ihr iPhone, ihr iPad oder ihr Android-Telefon herunterladen. Wichtig ist, dass das Smartphone NFC-fähig ist – dafür benötigen die Telefone mindestens Android 7 oder iOS 14. "NFC" steht für "Near Field Communication" und meint eine kontaktlose Datenübertragung.
Damit die Patienten die vollen Funktionen der App nutzen können, brauchen sie außerdem eine elektronische Gesundheitskarte mit NFC-Funktion und die dazugehörige PIN-Nummer. Ob die Karte eine NFC-Funktion hat, erkennt man an der sechsstelligen Nummer unter den Deutschlandfarben der Karte.
Die PIN muss extra bei der Krankenkasse angefordert werden. "Aufgrund des aktuellen Chipmangels kann es aber dauern, bis alle gesetzlich Versicherten mit entsprechenden Karten ausgestattet sind", sagt Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale NRW.
E-Rezept: So funktioniert die E-Rezept-App
Damit die Patientinnen und Patienten die vollen Funktionen der E-Rezept-App nutzen können, brauchen sie eine elektronische Gesundheitskarte mit NFC-Funktion und die dazugehörige PIN-Nummer. Ob die Karte eine NFC-Funktion hat, erkennt man an der sechsstelligen Nummer unter den Deutschlandfarben der Karte. Die PIN vergibt die Krankenkasse.
- Nach der Anmeldung in der E-Rezept-App können die Patientinnen und Patienten ihre Rezepte dann eigenständig ansehen und nach Apotheken suchen.
- Damit sollen sie bereits vorab überprüfen können, ob eine Arznei vorrätig ist und diese sogar vorbestellen können.
- Zudem können App-Nutzer und -Nutzerinnen den Rezeptschlüssel an andere Personen weiterleiten, wenn diese Medikamente für sie abholen sollen.
Alternativ nutzen sie den Code selbst, um ihn in der Apotheke vorzuzeigen und einzulösen. Das funktioniert auch bei Online-Apotheken.
In diesem Video sehen Sie, wie die NFC-Funktion der Gesundheitskarte funktioniert:

E-Rezept: Ab dann gilt es
Mit dem 1. September führt Deutschland nun bundesweit eine Pflicht ein: Ab dann sollen alle Apotheken die Digitalrezepte annehmen müssen. Die entsprechende Software wird also verpflichtend. "Die E-Rezept-Module aller gängigen Warenwirtschaftssysteme wurden in den vergangenen Monaten entwickelt und in den Apotheken installiert", kündigten die Apothekenverbände bereits im Juli an.
Das E-Rezept wird dann fließend ausgerollt. Ab dem 1. September soll jede Apotheke technisch in der Lage sein, ein E-Rezept einzulösen und mit der Krankenkasse abzurechnen. Laut der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (Abda) ist das tatsächlich der Fall. Aktuell laufen laut Abda Schulungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Apotheken im Umgang mit den E-Rezepten.
In ärztlichen Praxen und Kliniken ist die entsprechende Software dagegen noch nicht verpflichtend. In zwei deutschen Regionen sollten ab dem 1. September Pilotphasen beginnen: in Westfalen-Lippe und in Schleswig-Holstein – das die Einführung nun eben stoppte.
Die nächsten Schritte will das Bundesgesundheitsministerium mit den anderen Gesellschaftern der Gematik "zeitnah" bestimmen. Zudem will das Ministerium neben Arzneien in Zukunft auch andere Leistungen elektronisch verordnen lassen – darunter "Heilmittel, Hilfsmittel oder häusliche Krankenpflege". Einen genauen Zeitplan dafür teilte das Ministerium aber noch nicht mit.

Was sind die Vorteile des E-Rezepts?
Das Wichtigste sei der Komfort-Aspekt, sagt Sabine Wolter von der Verbraucherzentrale NRW: "Für den Patienten bedeutet das E-Rezept eine Zeitersparnis. Er kann sein Rezept zum Beispiel online einlösen und das Medikament in der Apotheke vor Ort reservieren oder es sich von dort liefern lassen", erklärt sie.
Doch es geht noch einfacher: "Es kann auch direkt an eine Versandapotheke geschickt werden", so Wolter. Auch sei das digitale Rezept weniger fehleranfällig. Und wer nicht so internetaffin sei, für den habe es keinen Nachteil, sagt sie: "Es entfällt nur das rosa Rezept."
Warum gibt es das E-Rezept?
Das E-Rezept soll es den Patienten und Patientinnen nicht nur einfacher machen, ihre Arzneien abzuholen: Perspektivisch ist geplant, auch Informationen über mögliche Wechselwirkungen oder Erinnerungen zur Einnahme in der App bereitzustellen.
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Auch für Eltern oder pflegende Angehörige kann das digitale Rezept eine Entlastung sein. "Es können weitere Familienmitglieder mit einem eigenen Profil in die App aufgenommen werden", sagt Sabine Wolter. Die Zahl der Profile ist unbegrenzt. Voraussetzung ist auch hier, dass die Familienmitglieder ebenfalls eine NFC-fähige elektronische Gesundheitskarte haben.
Generell verspricht sich das Bundesgesundheitsministerium aber weniger bürokratischen Aufwand und mehr Sicherheit durch die Neuerung. "Das E-Rezept ist fälschungssicher und unterstützt Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen bei der Zusammenarbeit", kündigt das Ministerium an.
Für Privatversicherte ist der Service aktuell übrigens noch nicht ausgerollt. Die blauen Papierrezepte wird es also vorerst weiterhin geben – genauso wie die grünen Rezeptscheine für alternative Arzneien ohne Rezeptpflicht.
E-Rezept: Karte zeigt Apotheken an
"Ich hoffe, dass das E-Rezept jetzt zum Fliegen kommt", sagt Gabriele Regina Overwiening, Präsidentin der ABDA (Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände), im Gespräch mit dem Gesundheitsmagazin "Apotheken Umschau". Einen Vorbehalt hat Overwiening dennoch: "Dazu müssen viele Faktoren passen: die Infrastruktur, die Software und die Ärzte müssen vorbereitet sein". Genau hier könnte es nun hapern.
Denn zum Start sind viele Apotheken gar nicht in der Lage, ein E-Rezept zu bearbeiten. Das wird bei einem Blick auf eine interaktive Karte deutlich, auf der alle Apotheken aufgelistet sind, bei denen man ein E-Rezept einlösen kann. Hier können Patienten auch nachsehen, ob es in ihrer Nähe eine Apotheke gibt, die das E-Rezept gegen Medikamente eintauschen.
Auch Karl Lauterbach drückt auf das Tempo. "Wir müssen das jetzt schnell ausrollen“, sagte der Gesundheitsminister am Freitag in Berlin. Er sprach sich dafür aus, dass digitale Rezept-Codes außer über eine spezielle App für Smartphones oder als Papierausdruck auch per Mail oder normale SMS übermittelt werden können. Dazu sei man unter anderem zu Datenschutzfragen im Gespräch, um eine Lösung zu finden. Die Kassenärzte forderten Klärungen für praktische Probleme.
Gesetzesgeber entschied sich schon 2020 fürs E-Rezept
Dass Deutschland nun mit dem E-Rezept arbeitet, bestimmte der Gesetzesgeber bereits 2020 im Patientendatenschutzgesetz (PDSG). Ursprünglich war die Einführung des E-Rezepts bereits für Januar 2022 vorgesehen, doch wegen technischer Schwierigkeiten musste das Bundesgesundheitsministerium den Start vorerst verschieben. Nun soll das rosa Rezept deutschlandweit abgelöst werden – acht Monate später.
Bei den Apotheken geht man davon aus, dass es zum Start noch etwas Probleme geben kann. Deshalb warnt der Deutsche Apothekerverband (DAV) davor, E-Rezepte zurückzuweisen, weil das die Akzeptanz der Bevölkerung schaden könne.

DAV-Vorsitzender Thomas Dittrich appelliert deshalb: "Nur gemeinsam können Arztpraxen, Apotheken und Krankenkassen das E-Rezept zum Erfolg führen und damit einen spürbaren Nutzen für die Versorgung der Patientinnen und Patienten bieten."
E-Rezept: Schwieriger Start erwartet
Dabei ist das E-Rezept nicht komplett neu: In Berlin und Brandenburg startete eine Testphase bereits im Juli 2021, im Rest Deutschlands dann im Dezember desselben Jahres. Dabei wurde der Ablauf erprobt: von der Ausstellung des digitalen Rezeptes in der Praxis bis zur Einlösung in der Apotheke.
Nun hat ausgerechnet Schleswig-Holstein das E-Rezept gestoppt. Das Bundesland sollte das E-Rezept eigentlich in einer Pilotphase auch in Kliniken und Praxen flächendeckend einführen und den Weg für sechs weitere Bundesländer ebnen, die ab Dezember einsteigen sollen.
E-Rezept in Schleswig-Holstein vorerst gestoppt
Die Landesdatenschutzbehörde schob der Digitalisierung des Rezepts nun allerdings vorerst den Riegel vor. Sie stuft die vom Praxisverwaltungssystem generierten Codes als Gesundheitsdaten ein. Da die Datenübermittlung Missbrauch ermögliche, für den Ärzte haftbar gemacht werden können. Insbesondere die Umsetzung per Smartphone-App soll die Bedenken verursacht haben. Eine mailbasierte Übermittlung soll nur mit einer zusätzlichen Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zulässig sein.
Dabei befindet sich das Großprojekt bereits in Verzug. Schon zu Jahresbeginn war die bundesweite Digitalverschreibung vorgesehen. Verzögerungen im Verwaltungsapparat und Digitalisierungsprobleme verschleppten den Zeitplan bisher. Ob und wie es in Schleswig-Holstein mit dem elektronischen Rezept weitergeht, ist unbekannt. (reba / mit fmg)
Dieser Artikel erschien zuerst auf morgenpost.de.