Sydney. Australien liegt nicht in Europa, so viel ist klar. Dennoch nimmt das Land am ESC teil. Hat da jemand in Erdkunde nicht aufgepasst?

  • Seit Jahren sorgt die Teilnahme von Australien beim Eurovision Song Contest für Verwirrung
  • Warum ist es beim ESC dabei, obwohl es nicht in Europa liegt?
  • Das steckt dahinter

Rein geografisch sind Perth und Liverpool fast 15.000 Kilometer voneinander entfernt. Im britischen Liverpool findet der diesjährige Eurovision Song Contest, kurz ESC, statt. Der letztjährige Gewinner, die Ukraine, kann den Wettbewerb aufgrund der russischen Invasion nicht ausrichten. Dass unter den Teilnehmerinnen und Teilnehmern auch fünf Australier von der Band Voyager sind, ist für manchen erstmal befremdlich. Denn über eines lässt sich nicht streiten: Australien liegt nicht in Europa.

Um zu verstehen, warum die „Aussies“ trotzdem seit 2015 beim ESC mitsingen, muss man ein wenig in die Geschichte blicken. Der Eurovision Song Contest fand erstmals in den 1950er Jahren statt. Damals ging es um ein recht pragmatisches Ziel – nämlich den neuen Programmaustausch der Europäischen Rundfunkunion (EBU) zu unterstützen. Außerdem wollte man eine gemeinsame europäische Identität fördern.

Australien ist seit 1973 assoziiertes Mitglied der EBU und nimmt auch an anderen Veranstaltungen und Programmen teil, die von der Rundfunkunion organisiert werden.

Australien ist ein Multikulti-Land – und der ESC ein Teil davon

Nachdem der ESC sich über die Jahre eine stattliche Fangemeinde aufbaute, schalteten sich auch die Australier ab 1983 vom anderen Ende der Welt aus zu. Dort wird der Song Contest vom sogenannten Special Broadcasting Service (SBS) ausgestrahlt, einem Sender, der den Auftrag hat, dem multikulturellen Australien zu dienen und es zu repräsentieren.

„So wie die EBU versuchte, eine europäische Öffentlichkeit zu schaffen, bestand die Rolle von SBS in der australischen Fernsehlandschaft darin, eine multikulturelle australische Öffentlichkeit zu schaffen, die auch global ausgerichtet war“, schrieb die Humanwissenschaftlerin Jessica Carniel von der University of Southern Queensland einst in einer Abhandlung zum ESC. „Die Popularität des Song Contests in Australien ist sowohl ein Faktor als auch ein Ergebnis davon.“

Sprich: Australien ist ein Einwanderungsland, viele Immigranten stammen aus Europa. „Indem wir Teil von Eurovision werden, erkennen wir an, dass Europa Teil unserer nationalen DNA ist“, kommentierte die ukrainisch-stämmige Dokumentarfilmerin Julia Nalivaiko in einem Meinungsstück für den Sender SBS. Durch das Anschauen des ESC lerne das australische Publikum ganz automatisch andere Kulturen kennen. Vor allem Kinder würden so zumindest ein wenig Wissen über so manche für sie „obskure“ Länder sammeln.

Für Australien beim ESC 2023: Die Band Voyager.
Für Australien beim ESC 2023: Die Band Voyager. © Nick Wilson/SBS Australia

Eurovision Song Contest: Die Australische Treue wurde belohnt

Die Treue der heimwehkranken Europäer am anderen Ende der Welt wurde 2015 erstmals belohnt. Zum 60. Jubiläum des Eurovision Song Contests lud man auch Australien zur Teilnahme ein. In Down Under war die Freude riesengroß: „Wir durften direkt ins große Finale nach Wien in Österreich“, jubelte man bei SBS.

Und als Scherz hintendrein: Ab nach „Austria“ – aber das würde sich ja auch schon fast wie „Australia“ anhören. Der australische Vertreter – der Sänger Guy Sebastian – schnitt dabei auch recht passabel ab: Er schaffte es immerhin auf den fünften Platz. Ein Jahr später belegte seine Kollegin Dami Im sogar den zweiten Platz.

Dieses Mal wird Australien im zweiten ESC-Semifinale am 12. Mai antreten. Schaffen die Australier es in die Top 10, treten sie auch im Finale am 14. Mai auf. Allein schon wegen der weiten Anreise wäre es ihnen zu gönnen.