Paris. Nina und Kelly wurden darauf abgerichtet, Lecks in den Leitungen der Wasserversorger aufzuspüren. Ihre Trefferquote ist spektakulär.

In dem Augenblick, wo der kleine Lieferwagen am Rand der Gemeinde Fontenay-lès-Briis zum Stehen kommt, schlagen Nina und Kelly an. Ihr Gebell ist reine Vorfreude, weil sie wissen, dass ein Spaziergang winkt. Nathalie Delon und François Bourdeau steigen aus dem Wagen, um die aufgeregten Hunde freizulassen. Dann begrüßen sie den auf sie wartenden Sébastien Menestrau. Der Mitvierziger leitet die für die Wasserversorgung verantwortliche Arbeitsgemeinschaft des im Großraum Paris gelegenen Departements Essonne.

Ninas und Kellys Fähigkeit ist bis jetzt einzigartig

Schon seit einer Woche arbeiten die Hundeführer Delon und Bourdeau für das "Syndicat des Eaux Essonne“ (SEE). Fontenay-lès-Bries ist die dritte Gemeinde im Departement, deren Wasserleitungen sie überprüfen. Aber eigentlich sind es Nina, eine fünfjährige Schäferhündin, und die dreijährige Border Collie Kelly, die sich dieser Aufgabe stellen.

Sie sind die bislang einzigen Hunde in Frankreich, die darauf abgerichtet wurden, unterirdische Lecks aufzuspüren, aus denen Leitungswasser austritt. Eine Idee, die die früher bei der Armee zu Hundeführern ausgebildeten Soldaten Delon und Bourdeau am Ende ihrer Dienstzeit hatten. Gemeinsam gründeten sie 2020 die Firma "K9-CynoConsulting“ und können sich seither vor Aufträgen kaum retten.

"Dann mal los“, meint Bourdeau und lässt Nina an einer Flasche riechen, die Wasser aus einem SEE-Rückhaltebecken enthält. "Leitungswasser wird Chlor beigemischt und wir haben unseren Hunden beigebracht, nach dessen Chlormolekülen zu suchen“, erläutert Delon. Glaubt man der zierlichen Frau, ist das weder leichter noch schwieriger, als Hunde abzurichten, die vermisste Menschen, Sprengstoff oder Rauschgift aufspüren sollen.

Immer der Nase nach: Schäferhündin Nina sucht nach Lecks in Wasserleitungen.
Immer der Nase nach: Schäferhündin Nina sucht nach Lecks in Wasserleitungen. © Peter Heusch

Die Hunde spüren sogar die Lecks von morgen auf

Jetzt wird Nina von der Leine gelassen und läuft schwanzwedelnd los. Eine Strecke von zirka vier Kilometern schreitet Bourdeau mit ihr ab. Zwei Mal bleibt Nina urplötzlich stehen, setzt sich hin und bellt, während ihr Herrchen ein Kreuz auf einer Karte macht und sie mit einem Leckerbissen belohnt. Dann wird Kelly von Delon über die gleiche Strecke geführt. "Wenn Kelly an jenen Orten, die Nina gefunden hat, ebenfalls markiert, wissen wir mit größter Sicherheit, dass dort ein Leck ist“, erklärt Bourdeau lächelnd.

"Die Trefferquote von Nina und Kelly liegt bei gut 95 Prozent“, versichert Delon. "Nein, sie ist 100-prozentig“, widerspricht Bourdeau: "Zwar wurden beim Nachgraben in einigen Fällen tatsächlich keine Lecks gefunden, aber Minirisse in den Leitungen. Wasser trat da nicht aus, aber zur Freisetzung von Chlormolekülen reichte es. Das waren sozusagen die Lecks von morgen".

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SEE-Chef: 20 Prozent des Trinkwassers kommt nicht an

Insgesamt 250 Kilometer unteririscher Rohrleitungen in Fontenay-lès-Briis und mehreren Nachbargemeinden sollen von K9-CynoConsulting überprüft werden. Auf den ersten 90 Kilometern haben Nina und Kelly sieben Lecks markiert. "Wir wissen, dass ungefähr 20 Prozent unseres Trinkwassers nicht in den Haushalten, Behörden oder Unternehmen ankommt, die wir versorgen“, gesteht SEE-Chef Menestrau ein.

Und natürlich fahnden auch Angestellte der Arbeitsgemeinschaft ständig mit herkömmlichen Mitteln nach eventuellen Lecks – auf Verdacht. Doch die Wasserhunde, wie Menestrau Nina und Kelly nennt, "haben den Vorteil, ganz gezielt vorzugehen“. Unter dem Strich bedeute dies eine erhebliche Zeitersparnis.

Die 20 Prozent Wasserverlust der SEE liegen unter dem Landesschnitt. In Frankreich versickert aufgrund maroder Leitungen rund ein Fünftel des gesamten Trinkwassers im Boden. Ein großes Problem angesichts eines zweiten Dürresommers in Folge, der sich bereits seit dem März abzeichnet. Wegen mangelnder Regenfälle in den Herbst- und Wintermonaten wird derzeit 75 Prozent des Grundwasservorkommens als zu niedrig eingestuft. Im Vorjahr waren es Anfang Mai "nur“ 58 Prozent.

Videografik: Die Aufbereitung von Trinkwasser

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    Derweil ist im Südwesten Frankreichs der Grundwasserspiegel bereits so tief gesunken, dass die Behörden dort das Leitungswasser in 76 Gemeinden als nicht trinkbar bezeichneten und vor dessen Genuss warnen. Eine Situation, die erklärt, warum die Dienste von K9-CynoConsulting so gefragt sind. Ebenso legt sie nahe, dass Nina und Kelly nicht mehr lange die einzigen Wasserhunde Frankreichs bleiben werden.