Erfurt. Weltweit werden Patienten nirgends so häufig Blutkonserven verabreicht wie in Deutschland. Die Krankenkasse Barmer fordert ein Umdenken beim Umgang mit der kostbaren Ressource.

In keinem Land der Welt werden Patienten so häufig Blutkonserven verabreicht wie in Deutschland: Allein 2015 kamen im Schnitt auf 1000 Einwohner 47,7 Bluttransfusionen. In Thüringen werden derzeit bei 6,5 Prozent der Operationen Blutkonserven benötigt.

Vor diesem Hintergrund fordert die Krankenkasse Barmer einen sparsameren Umgang mit der kostbaren Ressource. Nicht nur, weil die Zahl der Blutspender und -spenden sinkt und es häufig zu Engpässen bei Blutkonserven kommt. Eine Bluttransfusion ist für die Patienten auch mit Risiken verbunden.

„Sie ist eine Art Minitransplantation“, sagt Patrick Krug, Sprecher der Barmer in Thüringen. Es könne zu Abwehrreaktionen, Infektionen und einem längeren Klinikaufenthalt kommen, zudem das Sterberisiko steige. „Deshalb ist es nicht gut, ohne Ende Blutkonserven zu geben“, sagt Barmer-Landesgeschäftsführerin Birgit Dziuk.

Dass es auch anders geht, zeige das Beispiel Niederlande: Dort standen 2015 nur 25 Bluttransfusionen je 1000 Einwohner zu Buche. Das, so Dziuk, habe nicht nur damit zu tun, dass Deutschland eine sehr effizientere Struktur zur Gewinnung von Blutspenden habe, sondern vor allem mit der konsequenten Anwendung des Konzepts „Patient Blood Management“ (PBM) im Nachbarland. Kern dieses Konzepts ist es, mit Maßnahmen vor, während und nach Eingriffen Übertragungen zu vermeiden. Das einzige Thüringer Krankenhaus, in dem PBM bereits praktiziert wird, ist das Universitätsklinikum Jena. Vor planbaren Operationen wird dort nicht nur getestet, ob Patienten an einer Anämie leiden, um ihr Blut systematisch „aufzubauen“ – „idealerweise drei bis vier Wochen vor dem Eingriff“, wie Jenas PBM-Koordinator Ansgar Raadts sagt. Um die Blutarmut nicht künstlich herbeizuführen, werde Patienten für Blutuntersuchungen auch nur eine möglichst geringe Menge Blut abgenommen und die Zahl der Kontrollen auf ein Minimum reduziert.

Darüber hinaus werde am UKJ das Blut, das Patienten bei großen Eingriffen etwa an Herz, Enddarm, Leber und Harnblase verlieren, noch während der OP gesammelt und ihnen aufbereitet wieder zugeführt. Nicht zuletzt sei am UKJ jede OP-Einheit mit einem labormedizinischen Gerät ausgestattet, um an Ort und Stelle die Blutgerinnung zu überprüfen und zu entscheiden, ob dem Patienten eine Blutkonserve zugeführt werden muss. „Insgesamt gibt es 107 Einzelmaßnahmen“, erklärt Ansgar Raadts, dessen Ziel es ist, den Operateuren eines Tages einen „strukturierten Algorithmus“ an die Hand zu geben, mit dessen Hilfe sie sich für oder gegen eine Transfusion entscheiden können. Das alles, weiß Birgit Dziuk, kostet erst einmal Geld. Aber letztlich würden die Kliniken welches sparen, wenn sie weniger Blutkonserven einsetzen – und damit zugleich die Patientensicherheit erhöhen.