Berlin. Der Prozess um den spektakulären Raub der Juwelen aus dem Grünen Gewölbe ist zu Ende. Fünf der sechs Angeklagten müssen in Haft.

Das Urteil im Prozess über einen der spektakulärsten Kunstdiebstähle in Deutschland ist gefallen. Fünf der sechs Angeklagten im Alter zwischen 22 und 29 Jahren, die im November 2019 in das Historische Grüne Gewölbe in Dresden eingedrungen sind und dort Schmuckstücke im Wert von insgesamt 113,8 Millionen Euro gestohlen haben, sind am Dienstag vor dem Landgericht Dresden wegen schweren Bandendiebstahls, Brandstiftung und besonders schwerer Brandstiftung zu Freiheitsstrafen zwischen sechseineinhalb und vier Jahren verurteilt worden.

Zwei der Täter fielen noch unter das Jugendstrafrecht. Ein sechster Angeklagter im Alter von 25 Jahren, der wie seine verurteilten Verwandten aus dem Berliner Remmo-Clan stammt, wurde aufgrund seines felsenfesten Alibis hingegen freigesprochen. Diese vergleichsweise milden Urteile waren im Vorfeld wegen eines Deals der Verteidigung mit der Staatsanwaltschaft erwartet worden.

Das Grüne Gewölbe in Sachsen: Hier schlugen die Täter zu.
Das Grüne Gewölbe in Sachsen: Hier schlugen die Täter zu. © dpa | Sebastian Kahnert

Richter spricht von "erhöhter krimineller Energie"

„Das war für die Straf- und auch die Jugendkammer ein herausragender Fall“, sagte der vorsitzende Richter Andreas Ziegel nach der Urteilsverkündung in dem nahezu vollbesetzten Verhandlungsaal im Dresdner Norden, in welchem das Verfahren unter erheblichen Sicherheitsvorkehrungen und gewaltigem Medieninteresse seit Januar 2022 stattgefunden hatte. „Mit einer erhöhten kriminellen Energie aller Beteiligter.“

15 Monate lang habe man über 77 Verhandlungstage hinweg über 100 Zeugen und Sachverständige angehört, so Ziegel. Einen derartigen Einbruch in eines der bedeutendsten Kunstmuseen der Welt habe man zuvor schlicht für nicht möglich gehalten. Auch die Durchführung der Tat sei in vielerlei Hinsicht „besonders“ gewesen.

Lesen Sie dazu auch:

Grünes Gewölbe: Richter verteidigt den Deal der Staatsanwaltschaft

Richter Ziegel verteidigte dabei explizit vor Presse und Zuschauern den hoch umstrittenen Deal, den vier der sechs Angeklagten mit der Staatsanwaltschaft eingegangen waren. In diesem wurde ihnen Strafmilderung zugesichert, wenn sie die gestohlene Beute wieder zurückgäben. Bei dieser handelt es sich um 21 einzigartige Schmuckstücke mit insgesamt 4300 Diamanten und Brillanten aus dem 18. und 19. Jahrhundert von hoher kunsthistorischer Bedeutung.

Die Angeklagten im Prozess um den Juwelenraub im Grünen Gewölbe sitzen im Verhandlungssaal im Landgericht neben den Anwälten auf ihren Plätzen. (Archivbild)
Die Angeklagten im Prozess um den Juwelenraub im Grünen Gewölbe sitzen im Verhandlungssaal im Landgericht neben den Anwälten auf ihren Plätzen. (Archivbild) © Sebastian Kahnert/dpa-Pool/dpa/Archivbild

Ein solcher Vergleich sei normaler und regelmäßig angewandter Bestandteil des rechtsstaatlichen Justizsystems, so Ziegel. „Das gilt ebenso für einen Herrn Remmo wie für einen Herrn Müller, Meier oder Schmidt“, sagte er. Die bis dato zurückgeführten Schmuckstücke hätten trotz ihrer teilweisen Beschädigung einen Versicherungswert von 60 Millionen Euro und wären ohne den Deal für die kunstinteressierte Öffentlichkeit höchstwahrscheinlich für immer verloren gewesen.

Diese Juwelen erbeuteten die Verurteilten.
Diese Juwelen erbeuteten die Verurteilten. © dpa | Jürgen Karpinski

Einer der Verurteilten hatte dem Vergleich dabei nicht zugestimmt. Er sei bei der Tat selbst nicht anwesend gewesen, hatte er argumentiert, und habe lediglich das Werkzeug für die Durchführung besorgt. Dem folgte das Gericht allerdings nicht. Vielmehr sah es seine Anwesenheit aufgrund von Videoaufnahmen, Widersprüchen in Gesprächen und Geständnissen und weiteren Indizien für erwiesen an.

Zwei der Täter sollen zudem aufgrund ihres regelmäßigen Drogenkonsums in Entziehungsanstalten. Entscheidungen, die die Täter sichtlich schockierten. Vor der Urteilsverkündung hatten sie noch teilweise mit ihren Bekannten im Zuschauersaal gescherzt und mit Sperenzchen beim Verdecken ihrer Gesichter für Gelächter gesorgt. Später blieben ihre Mienen jedoch ernst und sie versuchten, sich nach der Verkündung mit Umarmungen und Worten gegenseitig Mut zuzusprechen.

Mit diesem Auto flohen die Einbrecher des Grünen Gewölbes

weitere Videos

    Richter Ziegel gab sich derweil gegenüber den Verurteilten versöhnlich. „Sie sind jetzt in einem Alter, in dem sie selbst entscheiden können, wie es mit ihrem Leben weiter geht“, sagte er. Es sei vielleicht altmodisch, habe aber auch Vorteile, ein rechtschaffendes Leben zu führen. „Da kann man vielleicht nicht so dicke Karren fahren, aber es gibt viel wofür, es sich trotzdem lohnt.“ So habe einer der Verurteilten etwa ein kleines Kind, das er aufgrund der Untersuchungshaft bis jetzt noch nie gesehen hat, an anderer sei verlobt. Einige der Verurteilten hatten dabei während des Prozesses über die Tat von einem „Abenteuer“ und einer „Mutprobe“ , ein anderer wollte sein verblasstes Image als gefeierter „Meisterdieb“ zurück.

    Mindestens ein Mittäter noch immer unbekannt

    Die Ermittlungen zum Juwelendiebstahl sind nach dem Prozess in Dresden indes noch lange nicht vorbei. So ist mindestens ein weiterer Täter noch unbekannt. Die Verteidigung hatte zur Bedingung des Deals gemacht, dass ihre Mandanten nicht zur Belastung Dritter verpflichtet sind.

    Auch zum Verbleib der restlichen Beute gibt es derzeit keine Hinweise. Bisher liegen nur 18 der 21 gestohlenen Schmuckstücke vor, teils beschädigt und unvollständig. So fehlt etwa noch die Epaulette mit dem „Sächsischen Weißen“ – ein knapp 50 Karat schwerer Diamant. Außerdem ist noch unklar, wer den spektakulären Einbruch tatsächlich initiiert und geplant hat und welche Hintermänner, Helfer und Mitwisser es möglicherweise auch im Museum selbst gegeben hat. Die Verteidigung hatte mehrfach darauf verwiesen, dass mangelnde Sicherheit des Museums die Tatausführung „zumindest begünstigte“.

    Der Einbruch ins Schatzkammermuseum im November 2019 war einer der spektakulärsten Kunstdiebstähle in Deutschland und machte auch international Schlagzeilen. Die Täter verursachten über eine Million Euro Schaden, als sie einen Stromverteilerkasten in der Altstadt sowie in der Tiefgarage eines Wohnhauses ein Fluchtauto in Brand setzten, um Spuren zu verwischen.

    Der Freistaat hatte vor Gericht Schadenersatz in Höhe von fast 89 Millionen Euro geltend gemacht - für die zurückgegebenen, teils beschädigten und die noch fehlenden Schmuckstücke sowie für Reparaturen etwa der zerstörten Vitrinen und am Museumsgebäude. Die Täter legten Feuer und schlugen die Vitrinen mit Äxten ein. Sie waren Monate später nach und nach bei Razzien in Berlin gefasst worden, einer von ihnen verbüßt zudem noch seine Jugendstrafe für den Diebstahl der Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum 2017.