Rom. Eine Windhose bringt am Lago Maggiore ein Boot zum Kentern. Vier Menschen sterben. “Wir hatten eine Höllenangst“, sagt ein Passagier.

Eine Geburtstagsfeier vor traumhafter Kulisse am Pfingstsonntag ist für eine Gruppe ausländischer Touristen zum Drama geworden. Die Touristen, darunter Engländer und Israelis, hatten vom 53-jährigen Kapitän Claudio Carminati und seiner russischen Lebensgefährtin, Anya Bozhowa (50) das Hausboot "Goduria" für eine abendliche Kreuzfahrt auf dem Lago Maggiore in Italien gemietet, als das Ausflugsschiff wegen eines plötzlich auftretenden Unwetters mit starken Winden kenterte. Das Boot sank auf der Höhe des Ortes Lisanza am südlichen Ende des Sees.

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Während Segelschiffe rechtzeitig das Ufer erreichen konnten, geriet das 16 Meter lange Hausboot in das Unwetter mit Windhose und hohen Wellen. "Es war wie eine Wasserbombe, 20 Minuten lang war die Hölle los", berichtete Edoardo Favaro, Vizebürgermeister der Stadt Sesto Calende, die sich unweit des südlichen Seeufers befindet. In wenigen Minuten kenterte das Boot, sank auf 15 Meter Tiefe und riss insgesamt 4 Personen – neben Bozhowa auch einen 50-jähriger Israeli und ein italienisches Ehepaar – in den Tod.

Plötzlicher Wetterumschwung überrascht Geburtstagsgesellschaft – vier Tote

"In wenigen Minuten hat sich die Wetterlage plötzlich geändert. Ein heftiges Gewitter mit starkem Wind und gewaltigen Wellen brach aus, wir hatten eine Höllenangst. Nach einer hohen Welle sind wir ins Wasser gestürzt", berichtet ein Überlebender. Als Blitze und Donner ausbrachen, gerieten die Passagiere in Panik. Einige fielen ins Wasser, 14 Personen konnten schwimmend das 150 Meter entfernte Ufer erreichen. Weitere sieben Menschen wurden von einigen vorbeifahrenden Booten in Sicherheit gebracht. Vermutet wird, dass die vier Toten in das sinkende Boote eingeklemmt wurden und sich nicht befreien konnten.

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"Die Menschen, die über Bord gegangen waren und versuchten, sich über Wasser zu halten, schienen uns aus der Ferne wie Schwäne, wir erkannten anfangs gar nicht, dass es sich um Schiffsbrüchige handelte", berichtete ein Segler, der erste Hilfe leistete. Die Küstenwache und die Feuerwehr waren mit Booten, einem Hubschrauber und Tauchern im Einsatz. Die Überlebenden wurden ins Spital eingeliefert. Fünf von ihnen mussten wegen Wunden und Frakturen behandelt werden, sie schweben nicht in Lebensgefahr. Ein von der Feuerwehr veröffentlichtes Video zeigt einen über dem See kreisenden Hubschrauber, während Sitze und weitere Gegenstände des Bootes im Wasser treiben.

Beliebtes Urlaubsziel Lago Maggiore: Hausboote werden oft für Partys genutzt

Der in Norditalien gelegene Lago Maggiore ist der zweitgrößte See Italiens und ein beliebtes Urlaubsziel. Hausboote werden oft für Partys oder Diners an Bord gemietet. Die gesunkene "Goduria" war ein 1982 gebautes Schiff, das mit allem Komfort für kurze Kreuzfahrten am See ausgestattet war. Das Hausboot konnte mit Crew für Tagesausflüge und Events an Bord gemietet werden. Das Schiff soll in den nächsten Tagen geborgen werden.

Kapitän Carminati und seine Partnerin lebten an Bord des Schiffes. "Als ich vom Unglück erfahren habe, habe ich bis zuletzt gehofft, dass es sich bei den Toten nicht um Claudio und Anya handeln würde. Sie liebten dieses Schiff, es war ihr Zuhause. Jetzt hat Claudio alles verloren", berichtete Marina Morena, eine Freundin der verstorbenen Russin.

Carabinieri ermitteln: Wurden Unterwetterwarnungen ignoriert?

Die Carabinieri ermitteln über die Hintergründe des Unfalls, etwa weshalb das Boot nicht rechtzeitig in den Hafen zurückkehrte - es hatte schon zuvor Unwetterwarnungen gegeben. Die Ermittler sammelten am Montag erste Zeugenaussagen der Überlebenden, um herauszufinden, ob allenfalls menschliches Versagen unfallursächlich war. Offen blieb noch, ob der Kapitän des Bootes die schlechten Wetterbedingungen unterschätzt hatte.

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Derart starke Gewitter mit Windhosen sind eine Seltenheit auf dem Lago Maggiore, dem zweitgrößten italienischen See nach dem Gardasee. Die Möglichkeit einer plötzlichen Verschlechterung des Unwetters war jedoch laut Experten vorhersehbar: Ab 17.00 Uhr zogen Gewitter mit schwerem Hagel über die gesamte Provinz Varese, was zu Verspätungen bei den Flügen ab dem internationalen Mailänder Flughafen Malpensa führte. Dennoch befand sich das Touristenboot gegen 19.20 Uhr immer noch auf dem See. Geprüft wird ausserdem, ob sich nicht zu viele Menschen an Bord befanden und ob alle Sicherheitsmaßnahmen berücksichtigt wurden.

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Italien ist zuletzt immer wieder von Unwettern heimgesucht worden. Bei schweren Niederschlägen in der norditalienischen Adria-Region Emilia Romagna waren vor zwei Wochen 15 Menschen ums Leben gekommen. Die Flutwelle verursachte Schäden in Höhe von mindesten 12 Milliarden Euro. 20.000 Personen mussten ihre überschwemmten Häuser verlassen. Die italienische Regierung billigte ein Maßnahmenpaket mit Hilfen in Höhe von 2,2 Milliarden Euro.