Erfurt. Chef- und Oberärzte aus Gera und Weimar beantworteten Fragen unserer Leser zum Thema Bluthochdruck.

Bluthochdruck ist die häufigste Erkrankung in Deutschland – jeder Dritte ist betroffen, von den über 60-Jährigen sogar jeder Zweite. Doch unbehandelt kann Bluthochdruck Herzinfarkte, Schlaganfälle, Nierenversagen und Demenz auslösen. Für eine frühzeitige Entdeckung ist eine regelmäßige Kontrolle des Blutdrucks unabdingbar. Mit Medikamenten und einer gesunden Lebensweise kann der Blutdruck gut eingestellt werden. Was dabei zu beachten ist, erklärten Marc-Alexander Ohlow, leitender Oberarzt der Kardiologie am Waldklinikum Gera, sowie Chefarzt Dirk Prochnau und Oberärztin Juliane Bindemann-Köcher vom Klinikum Weimar.

Ist es richtig, dass der Zielblutdruck 100 + Lebensalter beträgt?

Diese Regel ist falsch. Ein Blutdruck über 140/90 mmHg sollte in der Regel behandelt werden, wobei bei den meisten der Patienten ein Blutdruckwert unter 130/80 mmHg erzielt werden sollte.

Dirk Prochnau, Chefarzt der Kardiologie am Sophien- und Hufeland Klinikum Weimar.
Dirk Prochnau, Chefarzt der Kardiologie am Sophien- und Hufeland Klinikum Weimar. © Thomas Müller

Mein Arzt hat mir Ramipril und Bisoprolol verschrieben. Dazu noch Xarelto gegen Schlaganfall. Können solche Kombinationen auch kritisch sein?

Das ist keine ungewöhnliche Kombination. Ramipril und Bisoprolol gegen den Bluthochdruck, Xarelto gegen die Gefahr eines Schlaganfalls bei Vorhofflimmern. Manchmal muss das so sein, um die Hypertonie in den Griff zu kriegen. Aber natürlich gilt auch: Je mehr verschiedene Medikamente Sie nehmen, umso höher die Gefahr unerwünschter pharmakologischer Wechselwirkungen. Deswegen fragen Sie ruhig, vor allem wenn Sie bei mehreren Ärzten in Behandlung sind: Können wir etwas weglassen? Häufig wird die Antwort „Nein“ heißen, manchmal aber auch „Ja“.

Ich wache morgens immer wieder mit Herzrasen auf. Ich brauche lange, um mich zu beruhigen. Zudem muss ich häufig auf Toilette. Soll ich deswegen zum Arzt gehen?

Wenn die Beschwerden neu auftreten, kann es sich durchaus um einen Hilferuf des Herzens handeln. Wenn Sie das länger als zwei Tagen spüren, ist das auf jeden Fall ein Grund, zum Arzt zu gehen. Das häufige Wasserlassen könnte auf eine Herzschwäche hindeuten. Also ein klares Ja.

Mein Blutdruck ist abends über 170 mmHg. Wie kann das mit der Tageszeit zusammenhängen?

Unsere Organfunktionen unterliegen tageszeitlichen Schwankungen. Das betrifft auch die Herzfrequenz und den Blutdruck. In Ihrem Fall ist es womöglich besser, abends Medikamente einzunehmen. Das sollten Sie mit Ihrem Arzt besprechen, der solche Schwankungen in der Therapie berücksichtigen wird. 170 mmHg ist übrigens eindeutig zu hoch. Ein systolischer Wert von 140 mmHg und weniger, das ist gut.

Oberärztin Juliane Bindemann-Köcher vom Sophien- und Hufeland Klinikum Weimar
Oberärztin Juliane Bindemann-Köcher vom Sophien- und Hufeland Klinikum Weimar © Thomas Müller | Thomas Müller

Mein Blutdruckgerät zeigt immer niedrigere Werte an als bei meinem Arzt. Ist das Gerät kaputt?

In der Arztpraxis sind viele Patienten einfach aufgeregt. Das lässt den Blutdruck automatisch steigen, auch wenn man sich dessen gar nicht bewusst ist. Wir nennen das Weißkittel-Hypertonie. Wahrscheinlich ist der Wert, den Sie zu Hause gemessen haben, dann der korrektere. Patienten berichten aber auch umgedreht, dass sie zu Hause höhere Werte messen. Dann muss man schauen, ob dort die passende Manschette verwendet wird. Wer zum Beispiel einen starken Oberarm hat, muss das berücksichtigen. Ist die Manschette zu eng, führt das durchaus zu unterschiedlichen Mess-Ergebnissen.

Ich werde in sechs Wochen operiert und habe gelesen, dass durch eine Narkose der Bluthochdruck steigen kann. Jetzt ist mein Blutdruck ohnehin schon erhöht. Kann ich etwas tun?

Eigentlich sind Patienten in der Narkose entspannt. Es kommt aber auch vor, dass in der Ein- und Ausleitung der Blutdruck in die Höhe schießt. Deswegen ist es wichtig, dass Sie beim Vorgespräch mit dem Narkosearzt auf den Bluthochdruck hinweisen. Der Anästhesist wird das in der Narkoseführung und Medikamentengabe berücksichtigen.

Ich habe seit 40 Jahren hohen Blutdruck. Ich nehme schon lange Candesartan, Amlodipin und Torasemid. Jetzt hat mir der Hausarzt noch Bisoprolol (ein Betablocker) verschrieben. Seitdem ist der Puls sehr niedrig. Was soll ich tun?

Ein niedriger Puls ist eine bekannte Nebenwirkung des Betablockers. Sie sollten sich beim Hausarzt zur weiteren Abklärung ein EKG schreiben lassen. Gegebenenfalls muss die Dosis noch einmal angepasst werden.

Marc-Alexander Ohlow, Oberarzt der Klinik für Kardiologie am SRH Wald-Klinikum Gera
Marc-Alexander Ohlow, Oberarzt der Klinik für Kardiologie am SRH Wald-Klinikum Gera © SRH Waldklinikum Gera

Meine Blutdruckwerte schwanken stark. Bisher hatte ich immer Ramipril zur Blutdruckeinstellung. Nach Corona hatte ich Rhythmusstörungen. Seitdem nehme ich zusätzlich Bisoprolol. Das vertrage ich gut. Ich habe aber jetzt gehört, dass Bisoprolol zu Herzrhythmusstörungen führen kann. Soll ich es lieber absetzen?

Bisoprolol, ein Betablocker, kann bei bestimmten Patienten zu einem langsamen Herzschlag führen. Das tritt aber nur bei wenigen Patienten auf. Bisoprolol ist ein sehr wirksames Medikament, das gerade bei Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird. Sie sollten es bei guter Verträglichkeit nicht ohne Rücksprache absetzen.

Im Mai habe ich eine Rekonstruktion der Mitralklappe erhalten. Ich muss aber noch immer meine Blutdruckmedikamente einnehmen. Kann ich diese vielleicht doch absetzen?

Die Reparatur der Herzklappe hat in der Regel nichts mit der Behandlung des Blutdruckes zu tun. Sie sollten die Medikamente weiter einnehmen und gegebenenfalls mit ihrem Arzt Rücksprache halten.

Seit einem halben Jahr nehme ich Blutdrucktabletten ein, fünf verschiedene Präparate. Bisher habe ich immer am linken Arm gemessen. Da war der Blutdruck immer hoch. Jetzt habe ich auch angefangen an beiden Armen zu messen. Am rechten Arm ist der Blutdruck immer 20 bis 40 mmHg niedriger als links und hier auch normal. Soll ich jetzt lieber rechts messen?

Ein so großer Unterschied bei den Blutdruckwerten zwischen rechtem und linkem Arm sollte unbedingt abgeklärt werden. Hier kann eine Engstelle an einer Arterie des rechten Armes vorliegen. Das kann man mit einem Ultraschall in der Regel gut feststellen. Bitte wenden Sie sich an Ihren Hausarzt. Prinzipiell sollte man aber immer die höheren Blutdruckwerte bei der Behandlung des Bluthochdruckes zur Therapiekontrolle nutzen.