Jena. Etwa 600 betroffene Familien gibt es landesweit – Einrichtung unterstützt Angehörige in ihrem Alltag und gibt vielseitige Unterstützung

Für die Eltern war die Diagnose „Diabetes“ ein Schock. Manuela, die Mutter der heute 13-jährigen Johanna erinnert sich noch gut an die Situation vor fünfeinhalb Jahren. „Das kam für uns völlig unvermittelt und zieht einem zunächst einmal den Boden unter den Füßen weg.“ Allerdings blieb nicht viel Zeit zum Nachdenken und Sinnieren, sondern es ging sofort hinein in das „Alltagsmanagement“ wie die Mutter sagt. Und das heißt: regelmäßig Blutzucker messen, regelmäßig Spritzen. „Aber sehr früh stellte sich auch eine gewisse Erleichterung ein, dass es ,nur‘ Diabetes und keine schlimmere Krankheit war.“

Mittlerweile gehört die Krankheit „Diabetes mellitus, Typ 1“ für die Familie von Johanna und für sie selbst zum täglichen Leben. „Man gewöhnt sich dran“, sagt Johanna. Trotzdem ist die Krankheit allgegenwärtig. „Man muss sehr heftig nachdenken, was man zu sich nimmt“, erklärt sie. „Man muss abwägen, welche körperlichen Aktivitäten zu welchem Zeitpunkt möglich sind.“ Manchmal muss Johanna auch auf den Sportunterricht verzichten. „Diabetes ist halt nicht lenk- oder steuerbar“, ergänzt die Mutter.

Conny Bartzok ist stolz auf Kinder wie Johanna, Kinder, die trotz dieser Erkrankung ihr Leben meistern. Die engagierte Geraerin leitet das Diabeteszentrum für Kinder und Jugendliche in der Saalestadt. Betroffene werden von Bartzok und ihrem Team begleitet, den Familien wird Unterstützung angeboten. 600 betroffene Familien gibt es in Thüringen, im Verein sind 70 Familien Mitglieder, Kontakt gehalten wird aber schätzungsweise zu 200 Familien im gesamten Freistaat.

Alle sechs bis acht Wochen gibt es Elternrunden, bei denen aktuelle Informationen weitergegeben werden und die von einer Psychologin begleitet werden. „Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe“, so Conny Bartzok. Betreuenden Personen wie Verwandten, Freunden, Trainern, Lehrern und Erziehern werden zusätzliche Schulungen angeboten und für die Kinder und Jugendlichen werden Freizeitangebote organisiert.

Oscar, der bei dem Gespräch in der Geschäftsstelle des Vereins neben Johanna sitzt, ist ein 13-jähriger, aufgeweckter und sehr kommunikativer Junge. Mit seiner Krankheit, Diabetes mellitus Typ 1, geht er ganz selbstverständlich um, auch er hat sie akzeptiert, auch für ihn gehört sie zu seinem Leben. „Das Messen, die Spritzen, das gehört für mich zum täglichen Leben dazu, so wie Zähneputzen oder Aufstehen“, sagt er. Für die Blutzuckermessungen, die alle ein bis zwei Stunden erfolgen muss, hat er,, ebenso wie Johanna, mittlerweile einen Sensor, der den Blutzucker im Gewebe alle zwei Minuten misst. Ausgelesen werden die Werte mittels eines Scanners, der das Fingerstechen abgelöst hat.

Weil die Krankheit aber unberechenbar ist, sind Hilfsorganisationen wie der Jenaer Verein für die Betroffenen so enorm wichtig. Die Unterstützung, die der Verein den Familien anbietet, bezieht sich vor allem auf den alltäglichen und sozialen Bereich, ein Angebot, das in dieser Form in Thüringen einmalig ist. „Wir stehen den Familien in ihrem häuslichen und sozialen Umfeld zur Seite und leisten Aufklärungsarbeit in Schulen und Kindergärten. Um allen – Kindern, Eltern und Freunden – ihren neuen Alltag zu erleichtern,“ so Conny Bartzok.

Ganz eng ist die Zusammenarbeit mit der Universitätsklinik Jena und deren Diabetesambulanz. Etwa 120 Kinder und Jugendliche mit Diabetes mellitus Typ 1 aus Jena und Ostthüringen werden durch die Teams der Diabetesambulanz der Kinderklinik Jena und einer diabetologischen Schwerpunktpraxis für Kinder und Jugendliche in Jena medizinisch betreut. Allerdings macht Bartzok eindeutig klar, dass sie und ihre Mitarbeiter keine medizinischen Ratschläge geben. Aber die enge Kooperation mit den Ärzten in Jena macht es möglich, schnell und unbürokratisch die Familien im alltäglichen Bereich und in deren sozialem Umfeld zu unterstützten.

Das weiß auch die Mutter von Johanna zu schätzen: „Conny war damals die ersten Nicht-Medizinerin, die uns Hilfe angeboten hat.“ Der Verein fängt die Familien in einem Netz auf. Denn gerade nach der ersten Diagnose und dem Klinikaufenthalt stürzen so viele neue Informationen auf Eltern und Kinder ein, müssen sie sich an so viel neue Abläufe gewöhnen, dass sie für jeden Tipp dankbar sind. Und auch nach dem Klinikaufenthalt werden die Familien begleitet. „Wir geben eben Hilfe zur Selbsthilfe“, so Bartzok.

Diese Hilfestellung ist notwendig. Denn die Betroffenen und deren Familien müssen ihren Alltag komplett umstellen. Das weiß auch Oscar. Bei ihm machte sich die Krankheit durch ständiges Schlappsein bemerkbar. Bei einem Jungen aus der Nachbarschaft, der bereits an Diabetes erkrankt war, machte er einen Blutzuckertest. Und dann war klar: Auch Oscar war betroffen. Persönlich geht er sehr offen mit seinem Diabetes um. „Mittlerweile spritze ich mich auch im Klassenraum in den Oberarm“, erzählt er.

Johanna und Oscar – zwei junge Menschen, die es gelernt haben, mit ihrer Krankheit offen umzugehen, sie zu akzeptieren. Sie selbst und ihre Familien haben im Jenaer Diabeteszentrum Hilfe und Unterstützung gefunden haben. Und schon im Vorfeld freuen sich Johanna und Oscar auf einen Segeltörn, der sie zusammen mit anderen betroffenen Kindern und Jugendlichen des Diabeteszentrums für Kinder und Jugendliche in den Osterferien nach Holland führt. Oscar war übrigens der erste, der sich zu dem Segeltörn angemeldet hatte.

Die Bewerbungsfrist für die „Gute Nachbarn – gute Taten“ von TLZ, Landeswelle Thüringen und Paritätischem Wohlfahrtsverband ist abgelaufen. Am Montag, 8. April, beginnt die Online-Abstimmung über zehn Projekte, die von einer Jury ausgewählt wurden. Das Gewinnerprojekt wird ein Jahr lang medial unterstützt. Mehr Infos und alle Texte der Aktion gibt es unter www.tlz.de/gutenachbarn