Hanno Müller meint, dass ein Trend im Osten kein Grund zur Entwarnung gibt.

In ostdeutschen Großstädten ist die Zahl der Empfänger von Sozialleistungen zurückgegangen. Das ist ein ermutigendes Zeichen – aber kein Grund zur Entwarnung. Schaut man sich nämlich die absoluten Zahlen der neuen Armutsstudie der Bertelsmann-Stiftung an, liegt der Anteil der Hilfebedürftigen in den meisten untersuchten Städten der neuen Bundesländern immer noch im zweistelligen Bereich.

Mit einer Ausnahme: Mit unter zehn Prozent Sozialleistungsempfängern rangiert Jena unter den Top 20 der Städte mit der niedrigsten Armutsquote. Das hat ganz sicher auch historische Gründe. Die Industrie der Saalestadt hat nach der Wende in besonderem Maße von millionenschweren Aufbauleistungen profitiert. Das wie auch die Universität und ihr Umfeld schaffen ein innovatives, lebenswertes Klima.

Das Problem der Armut besteht nicht nur in mangelnder Teilhabe.Auch die Spaltung in der Gesellschaft wächst. Arm und Reich leben in den großen Städten Thüringens immer seltener nebeneinander. Ärmere wohnen auch ärmer und bleiben in bestimmten Quartieren weitgehend unter sich. Die Warnung der Bertelsmann-Stiftung vor problematischen sozialen und wirtschaftlichen Brennpunkten, die so entstehen können, ist ernst zu nehmen.

Ein Mittel gegen Armut ist Chancengleichheit. Entwicklung, Bildung, berufliches Fortkommen dürfen keine Frage des Geldbeutels sein. Die von der Studie geforderte Förderung von Kinder- und Jugendeinrichtungen oder von Sport-, Kultur- und Verkehrsangeboten sowie freiwillige soziale Leistungen, die vielfältig, gut zugänglich und gezielt auf einzelne Stadtteile angepasst sind, sollten Mindeststandards sein.