Sibylle Göbel über die SPD – die Partei hat mehr Probleme als nur Nahles.

Was der Wähler nicht erledigt hat, das erledigt die SPD jetzt offenbar selbst: sich zu zerfleischen, bis von ihr kaum mehr etwas übrig bleibt. Der Rückzug von Andrea Nahles verdient zwar Respekt, ist in gewisser Weise sogar nachvollziehbar, aber ob er dazu beiträgt, die Partei wieder zu einen und aus dem Dauer-Tief zu holen, darf bezweifelt werden.

Denn offensichtlich geht es der SPD auch nach den jüngsten Wahlergebnissen noch nicht schlecht genug, als dass Nahles parteiinterne Widersacher ihre Ränkespiele unterlassen und die Genossen Geschlossenheit demonstrieren.

Nicht nur nach der Europawahl, sondern auch schon lange davor musste der Wähler das Gefühl haben, dass die Ätschi-Bätschi-Vorsitzende keinen Rückhalt in Partei und Fraktion genießt. Die einen schienen sich vor Peinlichkeit zu winden, wenn sie an Nahles’ Auftritte etwa im Karneval („Humba humba täterä“) oder im Bundestag (Pippi Langstrumpf) dachten, die anderen es ihr immer noch zu verübeln, dass sie vor Jahren eine Partei-Größe wie Franz Müntefering zu Fall brachte.

Dass die nun gewesene SPD-Chefin unter ihrem Vorgänger Sigmar Gabriel stets uneingeschränkt loyal blieb, dass sie 2017 nach Martin Schulz’ kraftloser Parteitagsrede den Genossen beherzt die Leviten las und sie in die große Koalition brüllte, dass sie bei den Koalitionsverhandlungen viel für die SPD herausschlug – alles vergessen. Oder aber nicht genug, um die Genossen hinter sich zu bringen. An diesem grundsätzlichen Problem des Umgangs miteinander ändert auch eine neue Spitze nichts.

s.goebel@tlz.de