Sibylle Göbel zur Gewalt in Kindergärten wie in der Pflege.

Wie haben sich die Zeiten doch geändert: Als ich in den Kindergarten ging – ich gebe zu: das ist ein paar Donnerstage her –, durfte mich die Erzieherin noch ungestraft am Ohr aus dem Zimmer ziehen und in die Ecke stellen, weil ich mich der Mittagsruhe verweigerte. Ich war kein aufsässiges Kind, eher brav – und dennoch meinte die Kindergärtnerin, mich derart unsanft zur Raison bringen zu müssen.

Es ist eine meiner frühesten Erinnerungen – und auch wenn ich ansonsten sehr gern im Kindergarten war, ist sie doch bis heute mit einer unangenehmen Empfindung verbunden. Deshalb halte ich es für absolut angemessen, Erziehern jede Form von Gewalt gegenüber Kinder nicht durchgehen zu lassen, sondern zum Thema zu machen. Klar: Auch Erzieher sind nur Menschen und – gerade dann, wenn etwa der Betreuungsschlüssel nicht stimmt oder der Krankenstand unter den Kollegen hoch ist – besonders hohen Anforderungen ausgesetzt. Auch sie sind nicht immer in Top-Form und manchmal, wie übrigens auch Eltern, mit ihren Kräften am Ende.

Das rechtfertigt es aber nicht, Kinder gegen ihren Willen vorm Mittagsschlaf zu fixieren (ein Fall in Altenburg), zum Essen zu zwingen und mit dem Gesicht in den Teller zu stoßen (Fall im Weimarer Land) oder eben niederzubrüllen. Doch die Aufarbeitung solcher Vorfälle, wie es sie in ähnlicher Form als Folge von Überforderung auch in der Pflege gibt, allein reicht nicht. Erzieher wie Pflegekräfte müssen entlastet, von berufsfremden Tätigkeiten befreit und angemessen bezahlt und wertgeschätzt werden.

s.goebel@tlz.de