Thorsten Büker über kleine Kinder, die das Haareschneiden noch als Folter empfinden.

Steile These, finde ich: Die Angst von Kleinkindern vor dem Friseur wird von Experten unter dem Begriff „Kastrationsangst“ subsumiert. Beruhigend finde ich, dass dies nur eine von vielen Erklärungen ist. Besser finde ich, dass das Kind seine Autonomie entdecken und ausüben will und der Friseurbesuch diesen Wunsch nach Selbstbestimmung und Kontrolle stören kann. Viele verwechseln das mit Bockigkeit.

Auch ich habe am Wochenende meinen Wunsch nach Selbstbestimmung vernachlässigt und bin zum Friseur gegangen, aber ich war nicht bockig. Ungelogen, ich war fast der einzige Erwachsene, was ich auch mit geschlossenen Augen am Geräuschpegel erkennen konnte. Drei, vier Kinder warteten, ein Dreikäsehoch war besonders aufsässig, wobei die Aufsässigkeit stark mit der Länge der Haare korrespondierte. Der kindliche Ansturm auf den Friseur hatte etwas mit dem Ferienende zu tun.

Weil die Eltern schließlich kapitulierten, verließ die kleine Familie den Salon mit einem weinenden Kind und einer Strubbelfrisur. „Das war der zweite Versuch nach Donnerstag“, sagt die Mutter. War ich als Kind auch so? Ich weiß es nicht. Aber ich habe Kastrationsängste, wenn ich zum Zahnarzt muss.