Bodo Baake über seine Beobachtungen.

Neulich genossen wir vom Rand eines Parkplatzes aus den Blick auf das Meer. Sonne, Möwen, Wellen. Alles da... bis sich ein dunkler Schatten ins Bild schob: Ein schwarzer SUV, von oben bis unten mit getönten Scheiben gepanzert. Eines der Autos, mit denen Besserverdiener ihre Brötchen holen und zu denen der Volksmund vorlaut „Zuhälter-Karre“ sagt. Die schöne Aussicht war im Eimer. Wir räumten das Feld, wollten dem Fahrzeughalter aber unseren Groll übermitteln. Dazu traten wir an das Seitenfenster heran und klopften devot.

Das war unser erster Fehler, denn die Scheibe blieb zu! Der zweite war, dass wir verlegen mit den Füßen scharrten und abtraten, der dritte, dass wir beim Surren des Fensterhebers umkehrten und uns auf dessen Niveau herab demütigten. Was einen genau kalkulierten Blick in den Innenraum zuließ: Der vom Volksmund erahnte Typ am Lenkrad, blinkende Instrumente, schweres Leder und auf dem Beifahrersitz die serienmäßig eingebaute Blondine.

Später wurde uns klar, was passiert war: Wir hatten soeben eine Lehrstunde in der Hohen Schule der Türsteher erhalten. Natürlich nicht der Türsteher vor den Kneipen der Vorstädte, sondern vor den Nobelrestaurants, den Edelboutiquen und Szenelokalen. Wo die Besitzer wissen, dass der halbe Umsatz „an der Tür“ gemacht wird. Und wo die Tänzerinnen ihre eigenen, vergoldeten Stangen mitbringen, weil die Jobs dort eine Stange Geld bringen.

Da wird natürlich auch von Türstehern Extraklasse verlangt. Sie haben nicht nur die Schule des Lebens durchlaufen, sondern die altenglische Butlerschool. Sie lernten, ihre groben Vorstadtstimmen auf den Dauerton des wohltemperierten Klaviers zu dimmen, halten sich mit privaten Fitnesstrainern in Form und haben Wertpapiere im Depot. Später wechseln sie dann ganz in Wirtschaft oder Politik. Tauchen in den Chefetagen großer Konzerne als persönliche Referenten des Vorstandes auf oder in der Politik als Kampagnen-Leiter vor wichtigen Wahlen. In ihrer weiblichen Ausprägung als Chefsekretärin kleiden sie sich in Designer-Kostüme, die noch eine Nummer schärfer geschnitten sind als die ihrer Chefs. An diesen Leuten ist kein Vorbeikommen. Im Leben nicht. Sie lächeln wie nette Haifische lächeln, kennen genau den Moment, in dem die Scheibe herunter gelassen werden muss – und um wie viele Millimeter. Aber die Tür bleibt zu!