Sibylle Göbel über das Weimarer Modellprojekt.

Als Bodo Ramelow vor Kurzem sein Unverständnis darüber äußerte, dass Discounter und Supermarktketten auch Waren verkaufen, die für den stationären Einzelhandel typisch sind, werden sich das die Chefetagen von Lidl, Aldi, & Co. bestimmt ganz doll zu Herzen genommen haben. Nicht. Denn warum sollten sie aus der Situation nicht Kapital schlagen? Warum nicht Schuhe oder Schreibwaren anbieten, wenn die Nachfrage danach doch groß ist? Der Gedanke, dass die Pandemie endlich auch die Krisengewinnler zu solidarischem Verhalten bewegen könnte, ist zwar ein schöner. Doch die Welt, sie ist nicht so.

Mit Appellen allein ist dem darbenden Einzelhandel jedenfalls nicht geholfen. Vielmehr muss trotz steigender Infektionszahlen ein Weg aus dem Lockdown gefunden werden, bei dem klug abgewogen wird zwischen medizinischen Risiken einer- und wirtschaftlichen Kollateralschäden andererseits. Der Weg, den Weimar jetzt beschreitet, könnte Vorbild für ganz Thüringen sein. Denn knüpft man das Betreten eines Geschäfts an die Bedingung eines negativen Schnelltest, werden sich deutlich mehr Menschen als bisher testen lassen.

Das wiederum erhöht die Chance, jene ausfindig zu machen, die infiziert, aber symptomfrei sind. Und sonst ungehindert zum Beispiel durch den Supermarkt streifen.

Wer allein am Montag den Ostereinkaufswahnsinn bei Lebensmittelhändlern beobachtet hat, fragt sich sowieso, wie es noch zu rechtfertigen ist, dass Einzelhändler derart stiefmütterlich behandelt werden. Denn bei ihnen stehen Kunden nur in den seltensten Fällen Schlange. Oder drängen sich gar dicht an dicht.
Sibylle.Goebel@funkemedien.de