Gerlinde Sommer zum Sichtbarmachen aller Personen.

Der Thüringer Justizminister macht es vor: Es ist oft möglich, so zu formulieren, dass alle gleichermaßen gemeint sind. Neutralität ist das Gebot der Stunde. So überfällig wie umstritten. Und das hat viel mit der jüngeren Lebenswirklichkeit zu tun. Deshalb scheint es fast unabdingbar, an dieser Stelle zu vermerken, dass der aktuelle Justizminister ein Kind des Vorgängerlandes ist, Jahrgang 1968, POS-Abschluss, gelernter Installateur, Bürgerrechtler, später Studium zum Diplomingenieur. Denn: Viele im Osten, darunter manche Wossis, halten Gendern für Unfug. Warum auch? Sie sind als Männer ständig angesprochen.

Was stimmt, das ist dies: In der DDR hatten Frauen – häufig jung Mutter geworden und meist voll im Beruf stehend – eine deutlich höhere Last in der Gesellschaft zu tragen als viele gleichaltrige Männer. Sie fühlen sich dennoch nicht hintangestellt. Zugleich war die DDR-Staatsführung als Gruppenbild mit Dame organisiert. Und der Blick auf die Kombinatsführungen zeigt, dass es eine gläserne Decke gegeben haben muss. Sprachlich spiegelte sich im generischen Maskulinum auch eine Vorherrschaft in vielen Bereichen der Führung. Selbst bei 100 Lehrerinnen wurde behauptet, es handele sich um 100 Lehrer und nicht etwa um 100 Lehrkräfte. Solche neutralen Formulierungen strebt jetzt Adams an. Findet der Thüringer Justizminister Zustimmung im Kabinett, ändern sich neue Richtlinien und Gesetze. Was vorhanden ist, bleibt allerdings wie gehabt. Das heißt: Alte Sprachzöpfe werden so wenig abgeschnitten wie primäre Organe. Doch Adams muss mit lautem Geheul rechnen. Warum? Phantomschmerz ist Verlustschmerz.

Neue Sprachregelung für Gesetze: Neutral statt männlich