Hanno Müller über unversöhnliche Corona-Positionen.

Ist es wirklich nur eine Frage der Perspektive? Wer das Leid auf den Intensivstationen und in den Reha-Kliniken kennt, hofft auf wirksame Mittel gegen die Pandemie? Wer aber seinen Laden schließen muss oder seine Kinder nicht in die Schule schicken kann, verdammt jedwede Lockdown-Maßnahme als Fehlentscheidung? So einfach ist es nicht. Das Sterben ist real. In Thüringen sind es 3642, bundesweit 80.000 Coronatote, die eine große Lücke hinterlassen.

Die Lager sind gleich verteilt. Nach der Erfurter Cosmo-Studie gehen die Maßnahmen einem Drittel nicht weit genug, einem Drittel gehen sie zu weit. Es bräuchte wohl nur mehr Disziplin, privat und am Arbeitsplatz. Mit weniger Ansteckungen könnte mancher harte Einschnitt unterbleiben. Angesichts wachsender Pandemie-Müdigkeit wird das kaum noch gehört.

Beim Gedenken am Wochenende für die Corona-Toten rief der Bundespräsident zum Zusammenhalt in der Pandemie auf. Ein wichtiger Appell, der aber auf die Unversöhnlichkeit der Corona-Positionen trifft. Die ebenso dramatische wie verfahrene Situation ist hausgemacht. Länderchefs, die teils aus Schwäche, teils aus Populismus nicht das Kreuz zu rechtzeitigen wirksamen Schritten gegen die dritte Welle hatten, haben daran ebenso Anteil wie die Kanzlerin, deren Autorität schwindet.

Leidtragende finden sich nicht nur auf den Intensivstationen. Vielen schwimmen wirtschaftlich die Felle davon. Man kann jetzt darauf hoffen, dass die Impfkampagne irgendwann greift und die Inzidenzen so sinken. Das kann aber noch dauern. Oder man versucht es doch mit Solidarität und Zusammenhalt gegen die dritte Welle. Jeder Tag im Streit forderte weitere Tote.