Gerlinde Sommer zur Entwicklung des Landes seit 1990.

Wir, die wir dabei waren, als Thüringen 1990 zum Bundesland wurde und einen eigenen Landtag wählte, wundern uns: Was, 30 Jahre soll das her sein? Zugleich versinkt vieles von dem, was die Menschen in jenen Tagen beschäftigte, im Nebelschleier, der sich langsam, aber sicher über die Erinnerungen legte. Deshalb habe ich nachgeschaut in den Zeitungsausgaben, für die ich an verantwortlicher Stelle zuständig war. Damals, zwischen Währungsunion und erster Landtagswahl, spielte die Landesgründung in der öffentlichen Debatte nicht die große Rolle.

Es war folgerichtig, aus drei Bezirken wieder Thüringen werden zu lassen. Das Thema schlug keine großen Wellen - abgesehen eben von jenen Gebieten im Norden und im Osten, die zum Kernland hinzukamen. Auch das ist mittlerweile längst eine Erfolgsgeschichte.

Es waren politisch wilde Zeiten. So wurde Josef Duchač zunächst nur auf Platz 2 der Landesliste gesetzt; aber der neue CDU-Vorstand machte ihn zum Ministerpräsidenten-Bewerber. Willibald Böck hatte das Nachsehen.

Den Menschen stand die Welt offen

Die Menschen im Lande erlebten den großen Umbruch: Die D-Mark war da. Umstrukturierungen begannen, die bald in hohe Arbeitslosigkeit führen sollten. Den versprochenen blühenden Landschaften ging das ganz tiefe Pflügen voraus, um im Kohlschen Bild zu bleiben. Zugleich war es die Zeit, in der endlich offen darüber geredet werden konnte, was alles an SED-Unrecht hatte verschwiegen werden müssen. Jungen und nicht mehr so jungen Menschen stand die Welt offen. Die Schulen erhielten neue Leiter. Ein Land im Wandel.

Die FDP trat zur Landtagswahl mit dem Ziel an, der CDU nicht die Alleinherrschaft in Thüringen zu überlassen. Inzwischen hat sich - nicht nur - das Parteiengefüge verändert. Thüringen hat sich prächtig entwickelt, hat nicht fusioniert. Und das ist gut so.