Sibylle Göbel zum Bewerbermangel im Handwerk.

Die Corona-Pandemie hat die Ausbildungssituation in Industrie und Handwerk noch einmal verkompliziert. Denn zum Missverhältnis zwischen der Zahl der Lehrstellen und der der Bewerber kommt nun auch noch die Unsicherheit: Junge Leute wollen in krisensicheren Branchen Fuß fassen. Eine Ausbildung etwa in der Gastronomie, die besonders stark unter der Pandemie litt, erscheint da eher unattraktiv.

Um sich noch nicht festlegen zu müssen, haben sich deshalb etliche Schulabgänger erst einmal in eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme gerettet. Das verschafft ihnen zwar etwas Luft und verbessert im besten Falle ihre Chancen auf dem regulären Ausbildungsmarkt. Aber eigentlich ist dieses Mitte der 70er-Jahre in einer Zeit der Ausbildungsknappheit entstandene Übergangssystem dafür nicht gedacht.

Zumal die jungen Leute vielerorts dringend gebraucht werden. So klagen zwar alle über lange Wartezeiten und hohe Preise am Bau – trotzdem finden die Handwerksbetriebe zu wenige ausbildungsfähige junge Leute. Dabei wurde selbst im Lockdown gewerkelt, was das Zeug hielt. Woran liegt es also, dass die Jugend nicht anbeißt?

Unter anderem wohl am ausgedünnten Netz von Berufsschulen. Lange Fahrten schrecken eher ab. Bei der wachsenden Zahl derer, die auf einen Büroberuf aus sind, wird das Handwerk zudem dem Lockruf der Verwaltungen wenig entgegenzusetzen haben: feste Arbeitszeiten, ein pünktlich gezahltes und – die aktuellen Tarifverhandlungen lassen grüßen – sich regelmäßig steigerndes Gehalt. Damit aber auch in Zukunft noch jemand da ist, der Dächer repariert, Haare schneidet oder Fliesen verlegt, muss sich dringend etwas tun: Mehr Ausbildungsbörsen, die mit Klischees Schluss machen, mehr Betriebspraktika und eine profundere Berufsberatung wären schon mal ein guter Anfang.