Frank Quilitzsch vermisst ein kulturhistorisches Begrüßungsritual.

Komm, gib mir deine Hand! Als Kind hörte ich gern Mutters Platten. "Oh, komm doch, komm zu mir", coverten die Amigos die Beatles, "komm, gib mir deine Hand!" Jemandem die Hand geben? Unvorstellbar! Nur, wenn er einen Impfschein oder einen negativen Corona-Test vorweisen kann.

Zwar wünschen wir uns auch im Seuchen-Zeitalter noch einen guten Tag oder schwören ewige Treue, aber ohne die Hände zu benutzen. Begrüßungen und Verabschiedungen erfolgen aus sicherem Abstand. Kein Händedruck, keine körperliche Berührung mehr.

Was würde wohl Herr Knigge dazu sagen? Oder meine Mutter? Gib dem Onkel die Hand, wie es sich gehört! Ich versteckte sie, wenn ich jemanden nicht leiden konnte, hinterm Rücken. Einem Freund reichte ich sie gern. Die Hand der Freundin wollte ich nie wieder loslassen. Und wenn mich mein Professor mit Handschlag begrüßte, war das eine Geste des Vertrauens.

Woher stammt das Ritual eigentlich? Schon die alten Griechen streckten ihrem Gegenüber die Rechte entgegen, in der sonst die Waffe steckte - als Zeichen, dass man in guter Absicht kam. Und wenn sich Feinde die Hand reichten, hieß das Versöhnung. Von der Art des Händedrucks konnte man Sympathien ableiten. Er durfte nicht zu lasch, aber auch nicht zu kräftig sein. Und der Handschlag war Ehrensache.

Mit ihm wurden Wetten und Geschäfte besiegelt. Oder Sympathien bekundet. Einmal habe ich mir die Rechte tagelang nicht gewaschen, weil sie den Schwarm meiner Jugend (es war nicht Elvis!) hatte berühren dürfen.

Ja, ich vermisse ihn, den Händedruck. Ich fürchte, er wird nie wiederkommen, und wir werden, statt unter Corona, unter Berührungsängsten leiden.