Gerlinde Sommer zur Zukunft des Gedenkens

Als es darauf ankam, haben viele Menschen weggeschaut – und eine ganze Menge hat aktiv mitgemacht. Anders wäre all das gar nicht möglich gewesen. Die industrielle Vernichtung brauchte viele Helfer bis hin zu jenen, die den mit Menschen beladenen Güterzug pünktlich auf die Reise schickten.

All das mag vielen heutigen Menschen weit weg scheinen. Und zwar auch deshalb, weil über diese alltäglichen Verstrickungen in die Gräuel des Nationalsozialismus in der Nachkriegszeit viele Mäntel des Schweigens ausgebreitet wurden. Übrigens nicht nur im Westen. Sondern auch in den Familien diesseits der Werra. Das wurde ganz ausdrücklich bei der Gedenkstunde am 27. Januar im Landtag gesagt. Und wer das nicht gerne hört – und wer hört das schon gerne? –, der kann ja in der eigenen Familie nachforschen. Wie war das denn wirklich mit dem Mitläufertum oder gar der Parteizugehörigkeit? Wie wirkten die Sozialisierung im Bund deutscher Mädel (BDM) oder in der Hitlerjugend nach?

Wir müssen uns nicht wegen unserer Vorfahren schuldig fühlen. Es geht um etwas ganz anderes, um Selbstschutz: Nur wer den Ton erkennt, mit dem sich neuerlich die Menschenverächter nähern, kann gewappnet sein. Nicht wissen wollen, das heißt auch: Unvorbereitet zu sein darauf, dass Ausgrenzung nicht gebannt ist.

Wie sehr es auf den Einzelnen ankommt, hat Eva Pusztai mit ihren Worten an die Jugendlichen im Landtag deutlich gemacht. Es sei so wichtig, sich in jungen Jahren dafür zu entscheiden, ein guter Mensch werden zu wollen. Denn die Jungen formen die kommende Gesellschaft. Und für sie ist es wichtig, zu erkennen, wenn der Hass erscheint. Mit dem Alter, sagt die bald 95-Jährige, werde man nicht klüger, Aber man habe mehr Erfahrung. Eine Erfahrung, die hoffentlich nie wieder jemand machen muss.

„Auschwitz ist unsere Geschichte, aber nicht unser Erbe“