Wolfgang Hirsch über die Gothaer Friedenstein-Version.

Dieser Kerl ist schon eine Marke: Wie oft ist Knut Kreuch für sein vollmundig-euphorisches Auftreten belächelt worden, für seine Visionen, gegen die kein Arzt einen Rat weiß? Und dann rettet er fast im Alleingang fünf ruchlos geklaute Altmeistergemälde, als gelte es zu beweisen, dass er Schneid hat. Aber die Visionen? Die hat er, zumindest in Sachen Friedenstein, mit äußerster Beharrlichkeit Zug um Zug in die Realität umgesetzt.

Und wieder ist Kreuch einen Schritt voraus, indem er politisches Denken vom Kopf auf die Füße stellt. Er fragt nicht, welche Brosamen vom Berliner Tisch abfallen und was man damit anfangen könne. Sondern er definiert klare Ziele und wurstelt sich – womöglich wieder mal – durch. Längst hat Kreuch erkannt, dass eine neue Kulturstiftung Mitteldeutschland Schlösser und Gärten (KMSG), so wie Staatskanzleiminister Benjamin Hoff sie plant, für Thüringer Belange eine Totgeburt wäre und man die hiesige einzigartige Residenzkultur damit hoffnungslos aufs Abstellgleis schöbe. Das verletzt seinen Stolz.

Also denkt er für die Zeit nach deren Scheitern voraus. Die Friedenstein-Stiftung als höchst komplexen Hort europäischer Kultur-, Wissenschafts- und Entdeckergeschichte zu präsentieren, bärge verblüffende Reize: Man denke nur an die Kunst- und Wunderkammer der Herzöge, an ihr aufklärerisches Bildungsideal, an das astronomische Observatorium auf dem Seeberg, die zu Landkarten geronnenen Aktivitäten des Perthes-Verlags. All das hat Geschichte gemacht.

Mag sein, dass Kirchturmpolitik lästig erscheint; der Föderalismus Thüringer Prägung will indes als deutsches Erfolgsmodell erkannt sein, weil die Konkurrenz mit den Nachbarn allemal anspornt. Nicht zuletzt der Klassik-Stiftung in Weimar täte ein Gothaer Widerpart gut – wie seit 350 Jahren. Damit befindet sich Kreuch in allerbester Gesellschaft: in der der vermeintlich spinnerten Gothaer Herzöge.