Gerlinde Sommer findet, der Fall Domaschk ist typisch für eine Diktatur.

Der Todesfall Matthias Domaschk wird – nach allem, was wir bislang wissen – nie bis ins Letzte aufgeklärt. Ein junger Mann – in den Fängen der Stasi – wird in der Zelle des Untersuchungsgefängnisses tot aufgefunden. Die offizielle Darstellung lautet: Er habe sich sein Leben genommen. Aber: Selbst wenn die Stasi Domaschk nicht eigenhändig ermordet haben sollte, so hat sie doch seinen Tod mitverursacht und billigend in Kauf genommen – und zwar dadurch, dass der junge Mann unter Druck gesetzt und in die Enge getrieben wurde.

Sein Menschenleben war in der Situation, in der er sich vor bald 40 Jahren befand, nicht den Dreck unter dem Daumennagel eines Stasi-Vernehmers wert. Es ist das typische Zeichen einer Diktatur, dass die Gesundheit und das Leben des Einzelnen nichts gilt. Ja, auch in der Demokratie nehmen sich Menschen in der Haft das Leben. Aber jeder Staatsdiener, der das mit einem Schulterzucken zur Kenntnis nähme, wäre fehl am Platz. Artikel 1 des Grundgesetzes lautet allumfassend: Die Würde des Menschen ist unantastbar.

In der Gedankenwelt jener, die die Staatssicherheit und die SED-Diktatur zu verantworten hatten, galten andere Gesetze: Wer sich gegen den Staat stellte, galt als Staatsfeind und war nichts wert.

Gestern wurde nicht nur an den Tod von Domaschk gedacht. Es war auch der Gedenktag des Mauerbaus. An dieser Grenze wurden bis 1989 Menschen, die die Freiheit suchten, aus niedrigem Grund zu Tode gebracht. Diese mörderische Geschichte darf nie in Vergessenheit geraten.