Elmar Otto über Koalitionäre, die sich selbst das Leben schwer machen.

Nanu, ein Dé­jà-vu, war unser erster Gedanke, als wir jetzt wieder vermehrt das Wort „Unrechtsstaat“ lesen mussten. Schließlich war darüber vor Jahren schon trefflich gestritten worden, als Linke, SPD und Grüne ihr damals deutschlandweit erstes, mittlerweile beispielgebendes Bündnis schmiedeten.

Ausgerechnet Ministerpräsident Bodo Ramelow brach diese alte Debatte jetzt wieder vom Zaun. „Die DDR ist kein Rechtsstaat gewesen, sie war eine Diktatur“, tönte der linke Regent. Und erläuterte ein wenig oberlehrerhaft: Man könne viel über die DDR sagen, doch der Unrechtsstaat-Begriff sei juristisch für den Auschwitz-Prozess definiert worden.

Hmmm, komisch. Lautet nicht die Einleitung im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag ähnlich, kommt dann aber zu einem ganz anderen Schluss. Dort steht: „Die DDR war eine Diktatur, kein Rechtsstaat. Weil durch unfreie Wahlen bereits die strukturelle demokratische Legitimation staatlichen Handelns fehlte, weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit in der DDR ein Ende haben konnte, wenn einer der kleinen oder großen Mächtigen es so wollte, weil jedes Recht und jede Gerechtigkeit für diejenigen verloren waren, die sich nicht systemkonform verhielten, war die DDR in der Konsequenz ein Unrechtsstaat.“

Warum stellte Ramelow ausgerechnet jetzt das grundlegende Werk für die Arbeit der Koalition infrage? Wenige Wochen vor der wichtigen Landtagswahl, bei der die eigene Mehrheit bedenklich wackelt? SPD und Grüne waren zu Recht wenig amüsiert („Als hätten wir keine anderen Probleme...“).

CDU und AfD frohlockten dagegen und ließen sich diese Steilvorlage nicht entgehen. Eine bessere Gelegenheit, die Glaubwürdigkeit Ramelows anzuzweifeln und Rot-Rot-Grün in Verruf zu bringen, wird es wohl so schnell nicht geben.

Es war nicht der einzige rot-rote Stockfehler in dieser Woche.

Auch Innenminister Georg Maier meinte, offensichtlich ebenfalls mangels Themenarmut kurz vor dem Urnengang noch einen raushauen zu müssen. Deshalb kündigte er an: Alle Beamten – nicht nur Polizisten –, die sich offen zum Flügel“ der AfD bekennen, müssten damit rechnen, „dass disziplinarische Maßnahmen folgen“. Zugegeben, der „Flügel“ wurde im September 2018 vom Thüringer Verfassungsschutz zum „Prüffall“ erklärt – einer Vorstufe zu einer möglichen Beobachtung wegen Verdachts auf extremistische Tendenzen. Und das Bundesamt setzte mit dem Ausrufen des „Verdachtsfalls“ sogar noch einen drauf.

Aber ein Ergebnis liegt nicht vor. Also sollte ein Dienstherr seinen Beamten, die sich privat in einer Partei engagieren, nicht mit Konsequenzen drohen. In der heiklen Angelegenheit haben selbst die innenministerialen Rechtsgelehrten ob der Beratungsresistenz ihres Chefs mit dem Kopf geschüttelt.

Maiers Äußerung ist ein Musterbeispiel dafür, wie man mit profundem juristischem Halbwissen die politische Konkurrenz zum Opfer stilisiert und ihr im Zweifel die Wähler in die Arme treibt.

Landeskorrespondent Elmar Otto ­erreichen Sie unter e.otto@tlz.de