Frank Quilitzsch sammelt erste Eindrücke in Mexiko-Stadt.

Ach, sagt T., ist doch alles easy! Sie ist ja auch schon seit einem halben Jahr in Mexico-City. Bewegt sich spielend leicht per Metro, Metrobus und Fahrrad durch die 30-Millionen-Metropole. Und ernährt sich vegan, das will hier was heißen.

Ich habe Jetlag und Mühe mit dem Umrechnen. Die halbstündige Fahrt vom Flughafen zur Airbnb-Unterkunft kostet 100 Pesos, nicht mal fünf Euro. Ich gebe dem Taxifahrer 200. Was tust du da?, fährt T. mich an.

Im Supermarkt schenkt K. dem alten Mann, der unseren Einkauf in Tüten verpackt, drei Silbermünzen. Sein Gesicht strahlt vor Glück. Das waren 30 Pesos, fast anderthalb Euro, klärt T. uns auf. So viel verdient er sonst in der Woche.

Weshalb wir überhaupt in Mexiko sind?

Früher reiste man mit den Kindern. Heute reist man den Kindern hinterher, um den Anschluss nicht zu verlieren. Mehrmals besuchte ich meinen Sohn in Finnland. Dann E. in Ecuador und T. in Irland. Jetzt beide in Mexiko, wo die Kleine für eine gemeinnützige Organisation arbeitet und die Große zwei Auslandssemester absolviert.

Das Schwerste in Mexiko-City ist das Treppensteigen. Man wird schnell kurzatmig, denn die Stadt liegt 2100 Meter hoch. Daran gewöhnt man sich, sagt T. Auch an die Hektik, den Lärm und den Schmutz? Schon nach ein paar Stunden gehen mir die uniformierten Leierkasten-Spieler auf die Nerven.

Ich betrachte den stillen Schuhputzer, der geduldig auf Kundschaft wartet. Nie würde ich seinen Thron besteigen, aber ich bewundere diejenigen, die es tun. Ein Geschäftsmann lässt sich Zeitung lesend die Halbschuhe salben, ein Wachmann die Stiefel wichsen. Er unterhält sich dabei – auf Augenhöhe, denn der Putzer verrichtet seine Arbeit im Stehen.

Hola, ruft er, als er fertig ist.

Ich blicke auf meine Sandalen, und er lacht. Warum nicht bei Gelegenheit seine Dienste in Anspruch nehmen? So wie man zum Friseur und zum Physiotherapeuten geht oder Sachen zur Reinigung bringt.

Es ist wie mit den Rikscha-Fahrern in Vietnam. Um keinen Preis wollte ich mich von ihnen durch die Stadt strampeln lassen. Wenn du es nicht tust, hungern sie, sagte mein Freund Huong. Dann gebe ich Ihnen eben das Geld. Nein, sagte Huong, Almosen nehmen Sie nicht. Noch größer als der Hunger ist ihr Stolz.

Wir sind dann doch gefahren, Huong zusammen mit seinem Vater und ich allein in einer Rikscha. Vor einem Berg stieg mein alter, ausgemergelter Fahrer ab und schob mich hinauf. Ich wollte ebenfalls absteigen, doch das hätte ihn zu Tode beleidigt. Ich hätte ihm damit zu verstehen gegeben, dass er zu alt für seinen Job sei.

Irgendwann schaffe ich es auch, den mexikanischen Schuhputzern auf Augenhöhe zu begegnen.