Gerlinde Sommer über Christine Lieberknechts Expertise.

Soll sich niemand Christine Lieberknecht als Pensionärin vorstellen, die jetzt nur noch nach den Blumen im Garten hinterm Eigenheim und nach den Enkeln schaut. Sie ist eine gefragte Frau im gesellschaftspolitischen Raum. Und die Ehrenämter, die ihr da angetragen werden - hier natürlich vor allem außerthüringisch und parteienübergreifend auf Bundesebene - zeigen durchaus, wie hoch geschätzt sie nach drei Jahrzehnten Landespolitik ist. Bisweilen spielt auch ihre theologische Erfahrung rein - und natürlich sehr oft ihr Engagement, das nicht erst 1990 begann. So hat sie in den zurückliegenden Monaten am Themenkreis friedliche Revolution, Mauerfall bis hin zu 30 Jahre deutsche Einheit mitgewirkt; zum Wandern und zum Singen animiert.

In diesen Tagen tritt sie im Kuratorium der Willy-Brandt-Stiftung die Nachfolge ihres Vorvorgängers Bernhard Vogel an. Sie ist da neben Brigitte Seebacher die einzige Frau - und den Vorsitz hat Wolfgang Thierse, ehemals Bundestagspräsident und in der SPD. Das ist natürlich keine Voraussetzung für das Mitmachen in der Stiftung, wie sich ja schon bei Bernhard Vogel zeigte. Zudem geht Lieberknecht im November auch in den Verein „Gegen Vergessen - für Demokratie“ und tritt dort an die Stelle von Eberhard Diepgen. Bei diesem Zusammenschluss hatte übrigens der jüngst verstorbene Jochen Vogel (SPD) „einst eine große Aktie bei der Gründung“, sagt Lieberknecht. Den Vorstand wird nun der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichtes Andreas Voßkuhle übernehmen. In diesen Zirkeln trifft sich einerseits die politische Klasse im a.D.-Zustand wieder. Andererseits kann Lieberknecht hier immer einbringen, was mit ihren besonderen Erfahrungen als einstige DDR-Bürgerin und mit dem Transformationsprozess generell zusammenhängt.

Mit gerade mal 62 Jahren wäre sie auch viel zu jung für das politische Altenteil. Eins aber ist sicher: Sie gehört nicht zu denen, die im kommenden Jahr noch mal zu Wahlen antreten wird. Sie genießt ihre Rolle als die junge Ausgabe der „elder stateswoman“. Für diesen Anglizismus gibt es nun wirklich keine deutsche Entsprechung. Aber eines Tages wird es einen Ausdruck geben, der auch auf Deutsch wertschätzend klingt.