„Ich kann mir gut vorstellen, dass er nach dem schwierigen Jahr 2022 jetzt so langsam seine Rolle in diesem Kanzleramt gefunden hat“, sagt Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur der „Tagesschau“.

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Während Olaf Scholz den Flüchtlingsgipfel mit den Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten genauso so beendet, wie er sich das vorgestellt hat, im Kanzleramt seinen neuen Duz-Freund Wolodimir Selenski empfängt und sich über den Sieg der SPD bei der Landtagswahl in Bremen freut, schlägt sich Robert Habeck mit der „Trauzeugen“-Affäre um seinen Staatsrat Patrick Graichen herum, registriert die Verluste der Grünen in Bremen und wird in einem Interview in den „Tagesthemen“ von Ingo Zamperoni gegrillt. „Ich habe den Eindruck, dass es im Moment für Olaf Scholz richtig gut läuft. Die ganzen Umstände passen wie in einem Drehbuch für ihn perfekt zusammen. Ich kann mir gut vorstellen, dass er nach dem schwierigen Jahr 2022 jetzt so langsam seine Rolle in diesem Kanzleramt gefunden hat“, sagt Marcus Bornheim, Erster Chefredakteur der „Tagesschau“, in dieser Folge des „Scholz-Updates“.

Für Robert Habeck gilt genau das Gegenteil. Wie genervt der Vizekanzler von der aktuellen Lage ist, erlebte Bornheim direkt, als Habeck im Interview mit Ingo Zamperoni davon sprach, dass im Fall Graichen „Unterstellungen, Beleidigungen und teilweise Lügen“ verbreitet worden seien und dass die Opposition die Affäre dafür nutzen würde, ihren Kampf für Öl- und Gasheizungen fortzusetzen. „Robert Habeck hat in dem Interview keine glückliche Figur gemacht, das war sehr unprofessionell. Wenn ein Fehler passiert ist, und der ist ja ganz offensichtlich passiert, so zu agieren, wie es der Vizekanzler getan hat, ist nicht besonders clever“, sagt Bornheim. „Was er bisher aus meiner Sicht in seiner Kommunikation ganz gut gemacht hat, nämlich seine eigenen Bedenken zu artikulieren, funktioniert in diesem Fall so nicht. Die Affäre Graichen ist einfach amateurhaft, schlecht und fehlerhaft, dann in den Angriffsmodus zu verfallen und zu behaupten, es stecke eine Kampagne dahinter, ist mir zu wenig für einen Wirtschaftsminister.“ Immerhin habe Habeck sich aber den „Tagesthemen“ gestellt, so der Chefredakteur: „Bis mittags war noch nicht klar, ob wie ihr ihn zu einem Gespräch bekommen, und ich hätte Geld darauf gesetzt, dass er nicht kommt. Ich ziehe meinen Hut davor, dass ein Politiker in einer solchen Situation ein Interview gibt, das verdient Respekt. Dass es am Ende zu einem Eigentor geworden ist, lag in seiner eigenen Hand.“

Grundsätzlich bekämen die „Tagesthemen“ mehr Absagen als Zusagen von Politikerinnen und Politikern, da mache auch der Kanzler keine Ausnahme. Grundsätzlich gelte: „Olaf Scholz zu interviewen und daraus auch wirklich ein fernsehtaugliches, unterhaltsames Interview zu machen, das sich die Leute um 22.15 Uhr mit Lust und Wonne ansehen, ist wirklich Schwerstarbeit. Er lässt sich mit kaum etwas aus der Reserve locken.“