Gera/Weimar. Die dreifache Mutter Friederike Spengler lehnt vorgeburtliche Tests zur Selektion von Menschen ab, weil sie keinen medizinischen Nutzen erkennt.

Wenn der Bundestag an diesem Donnerstag darüber debattiert, ob der vorgeburtliche Bluttest zur Bestimmung des Down-Syndroms eine Kassenleistung werden soll, dann geht die Diskussion aus Sicht von Friederike Spengler am Kern des Problems vorbei.

Wenn es schon einen Test gibt, der für Mutter und Kind weit ungefährlicher als die invasive Fruchtwasseruntersuchung sei, dann sollten ihn die Kassen auch bezahlen, findet die Regionalbischöfin für den Propstsprengel Gera-Weimar. „Damit nicht pekuniäre Gründe maßgeblich dafür sind, ob eine Schwangere den Test machen kann oder nicht.“

Viel entscheidender aber ist für die Kirchenvertreterin, dass sie in dem Bluttest keinen medizinischen Nutzen erkennen kann. „Höchstens den, dass – fällt er negativ aus – die werdenden Eltern eine gewisse Zufriedenheit haben, dass bei ihrem Kind diese Abweichung vom ,Normalen‘ nicht gegeben ist.“ Was aber, wenn der Test positiv ist? Dann befänden sich die Eltern in einer hoch emotionalen Ausnahmesituation, ahnt Friederike Spengler. Denn entschieden sie sich für das Kind, wüssten sie natürlich nicht, ob sie später tatsächlich gut mit seiner Besonderheit umgehen könnten. Und müssten sich dann womöglich noch dafür rechtfertigen, dass sie das Kind trotz des Wissens um das Down-Syndrom am Leben ließen. Denn es sei ja „vermeidbar“ gewesen.

Immer mehr pränatale „Filter“ werden möglich

Entschieden sie sich aber dagegen, frage kaum jemand danach, was die Abtreibung mit der Mutter und dem Vater macht, wie sehr sie das belastet. „Mit dem Test“, sagt Spengler, „suggerieren wir, dass es nicht nur ein Recht auf Leben, sondern auch ein Recht auf ein normiertes Leben gibt und dass nur ein normiertes Leben ein glückliches ist.“ Die Vorstellung, dass in Zukunft immer mehr pränatale „Filter“ eingebaut werden, mit denen sich zum Beispiel Knochenanomalien und andere biologische Merkmale von Menschen von vornherein ausschließen ließen, grusele sie.

Sie selber habe sich bei der letzten ihrer drei Schwangerschaften bewusst ganz gegen Untersuchungen entschieden, die ihr als damals 39 Jahre alter Spätgebärender und Risikoschwangerer zustanden: „Ich habe mit meiner Frauenärztin richtig diskutieren müssen, weil sie mir unterstellte, dass ich das alles auf die leichte Schulter nehme und nicht bewusst damit umgehe. Aber mein Mann und ich hätten dieses Kind auch als unser Kind angenommen, wenn es behindert gewesen wäre.“ Wobei die Bad Berkaerin keinen Hehl daraus macht, dass für sie ein Mensch nicht von sich aus behindert ist, sondern vielmehr erst durch die Gesellschaft behindert wird, nämlich darin, seinen Anlagen gemäß gut leben zu können.

Zudem wird aus Spenglers Sicht verkannt, dass der Test zwar vor der Geburt eine Behinderung ausschließen könne, nicht aber eine, die unter der Geburt oder aber später durch Krankheit oder Unfall erworben wird. „Mit der Diagnostik haben wir keine Versicherung abgeschlossen, dass nichts passiert. Aber wir minimieren eine Gruppe von Menschen, die mit einem wunderbaren Selbstbewusstsein in der Gesellschaft leben.“ Spengler weiß – auch aus ihrer früheren Tätigkeit als Heilerziehungspflegerin – , dass Menschen mit Down-Syndrom sehr viele Fähigkeiten und Fertigkeiten haben und zum Teil sogar studieren, wenn sie entsprechend gefördert würden.

Spengler selbst hat vor Jahren eine Familie begleitet, die bereits durch einen frühen Ultraschall erfahren hat, dass ihr Kind schwerstbehindert zur Welt kommt und nur wenige Stunden zu leben hat: „Und sie haben sich dafür entschieden, weil sie gesagt haben: Wir lassen dem Kind die Chance, neun Monate im Mutterleib leben zu können. Denn auch das ist doch Leben. Und so lange das Kind sich entscheidet, zu leben, lebt es.“

Die Frau habe das Kind dann ausgetragen und zur Welt gebracht. Als es nach 72 Stunden verstorben sei, sei es in den Armen seiner Eltern gestorben. „Sie haben ihrem Kind das Recht eingeräumt zu leben. Und wir nehmen uns heute das Recht zu tun, was medizinisch möglich ist, und alles andere an Konsequenzen demjenigen vor die Füße zu werfen, der jetzt dafür zuständig ist: nämlich vor allem den Müttern.