Tröbnitz. Vor 30 Jahren: Wolfgang Fiedler zieht für die CDU im Bezirk Gera in die Volkskammer ein und wird Vollblutpolitiker.

Wolfgang Fiedler, Jahrgang 1951, tritt 1985 in die CDU ein. Der Meister der Feinwerktechnik will sich beim VEB Carl Zeiss in Jena den Avancen der SED entziehen. Im Winter 1990 kommt Fiedler auf die Liste im Bezirk Gera – und rechnet nicht damit, in die Volkskammer einzuziehen. Doch die Allianz für Deutschland verbucht bei der Wahl am 18. März den großen Sieg – und für Fiedler ändert sich alles: Er wird Vollblutpolitiker und gehört nach der Volkskammerzeit fast 30 Jahre lang dem Landtag an.

Erst ist Fiedler „geplättet“ über die Wahl. Dann fährt er nach Berlin, die Fraktion muss sich zusammenfinden. „Ein mühsames, aber auch ein spannendes Geschäft“ wartet auf ihn. Die Arbeitstage sind lang, „teilweise von morgens acht bis nachts um drei. So ist die Welt damals gewesen.“ Viel Zeit bleibt den Volkskammerabgeordneten nicht. Fiedler sagt: „Ich war immer ein Vertreter der Schnelligkeit. Ich wollte die deutsche Einheit. Das war mein Antrieb, um mit vollem Herzen mitzuwirken.“ Er erinnert sich gut daran, dass „Lothar de Maiziere den längeren Weg will“, während er mit Willibald Böck, Günther Krause und anderen aufs Tempo drücken. „In der Kürze der Zeit und bei dem, was alles zu beachten war, ist das in meinen Augen ein Meisterstück. Wann schafft sich schon ein Parlament selber ab?!“ Er wisse wohl, dass manche mehr auf die Mängel schauen. „Aber die meisten damals haben sich über die rasche Einheit gefreut“, erinnert er.

Fiedlers Hauptgebiet in der Volkskammer: Kontrolle und Auflösung der Stasi. „Wir waren nur eine Handvoll Leute, darunter Joachim Gauck und Jürgen Haschke“, sagt er. Pfarrer Heinrich Eber (1915 - 2008) und Matthias Büchner sind seine Mitarbeiter. Bei der Überprüfung der Volkskammerabgeordneten stellen sich im Laufe des Sommers 1990 bei immerhin 35 CDU-, 11 FDP-, 11 PDS- und zwei Grüne-Abgeordneten Stasi-Verstrickungen heraus, darunter auch bei mindestens zweien aus dem Bezirk Suhl.

Fiedler gibt zu bedenken, dass unter den PDS-Abgeordneten die Zahl irreführend sei, „weil da manche schon qua Amt mit dabei gewesen waren“. Fiedler sagt: „Wir hätten die SED-PDS verbieten sollen. Aber da sind uns alle Westberater und Juristen in die Parade gefahren“. Die Zahl der Stasi-Zuträger bei der CDU habe ihn „überrascht“. In seiner Fraktion versucht er damals „intern, den einen oder anderen zum Rücktritt zu bringen und ihm nahezulegen, für die neuen Parlamente etwa in Thüringen erst gar nicht anzutreten.“ Das sei „verhältnismäßig gut gelungen“, so Fiedler.

Eigentlich soll Fiedler nach der Volkskammerzeit als Beobachter ins Europaparlament; er will aber lieber Landtagsabgeordneter werden. „Ich wollte in Thüringen etwas bewegen.“ Fast drei Jahrzehnte wird Fiedler als meinungsstarker Innenpolitiker im Land wirken.

Seit Herbst 2019 ist er in Pension – und weiterhin ein streitbarer Beobachter der Vorgänge vor allem in der Landespolitik. Ihn stört schon seit längerem, dass im Landtag die Abgeordneten immer häufiger nicht mehr aus der gesamten Breite der Bevölkerung, sondern eher aus der Politikwissenschaft kommen. „Früher gab es eine gute Mischung. Politikkarrieren, wie sie heute so üblich sind“, sieht er kritisch. Das gilt, sagt er, auch in der eigenen Partei und ganz deutlich mit Blick auf die heutige Fraktionsspitze der CDU im Thüringer Landtag.

Noch einmal ein Blick zurück: Die Wiedervereinigung „gut gelungen: Wir müssen uns dafür nicht verstecken“, sagt Fiedler. Offen sei eine „eigene Verfassung“. Diese Aufgabe könne auf Bundesebene noch immer angepackt werden…