Berlin. Was hat mich da gestochen? Lothar Wieler, ehemaliger RKI-Chef, schaut mit Sorge auf neue Infektionserreger – und ein besonderes Virus.

Der ehemalige RKI-Präsident Lothar Wieler fordert eine größere Aufmerksamkeit für Krankheiten, die durch steigende Temperaturen verbreitet werden: „Der Klimawandel erhöht das Risiko für Infektionskrankheiten“, sagte Wieler dieser Redaktion. Es sei wichtig, „dass gerade Hausärzte gezielt weitergebildet werden und im Praxisalltag sensibel sind für diese Entwicklung“.

In Deutschland vergrößere sich derzeit der Lebensraum für Zecken sowie bestimmte Mücken und Stechfliegen – und mit ihnen die Gefahr für Infektionskrankheiten, die von diesen Tieren übertragen würden. Als Beispiel nannte Wieler das West-Nil-Virus, das bei Menschen eine schwere Gehirnhautentzündung auslösen könne.

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Durch die verstärkte Verbreitung bestimmter Zecken steige auch das Risiko für Krankheiten, die von Zecken übertragen werden – wie Borreliose und die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). „Wenn ein Patient mit entsprechenden Symptomen in die Praxis kommt, müssen die Ärztinnen und Ärzte die Hinweise richtig deuten können. Dazu braucht es erstmal ein Bewusstsein für diese neuen Infektionserreger“, mahnte Wieler.

Die nächste Pandemie? Wieler tippt auf Influenzaviren

Der ehemalige RKI-Präsident warnte zudem vor einer neuen Pandemie durch Grippeviren: „Das Grippevirus hat großes Potenzial, eine neue Pandemie auszulösen“, so Wieler. Influenzaviren veränderten ihr Erbgut sehr schnell. „Es wäre nicht das erste Mal, die Spanische Grippe ist das bekannteste Beispiel“, fügte Wieler hinzu. Der frühere Chef des Robert-Koch-Instituts forscht heute am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam, sein Schwerpunkt ist die Zukunft des öffentlichen Gesundheitswesens.

Der ehemalige Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, forscht heute am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam.
Der ehemalige Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, forscht heute am Hasso-Plattner-Institut in Potsdam. © FUNKE Foto Services | Reto Klar

Derzeit beobachteten Experten mit der Vogelgrippe die größte je gemessene Panzootie unter Nutzgeflügel und Wildvögeln, so Wieler. Das H5N1-Virus werde in Einzelfällen immer wieder auch bei Säugetieren nachgewiesen, etwa bei Katzen. Kürzlich seien in Polen Fälle bei 47 Katzen nachgewiesen worden. Durch diesen Sprung auf ein Säugetier wachse die Chance einer gefährlichen Veränderung des Virus‘. „Daher sind die Fälle bei Säugetieren für uns ein Warnsignal“, so Wieler.

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Aus den vergangenen Jahren wisse man, dass das H5N1-Virus bislang sehr selten auf Menschen überspringe, „aber wenn dieses Vogelgrippevirus Menschen infiziert, dann ist es sehr gefährlich“, mahnte Wieler. Viele der Infizierten seien gestorben, laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) wurden in den letzten 20 Jahren weltweit rund 2.600 Erkrankungen beim Menschen und 1.100 Todesfälle angezeigt.