Berlin. Unser Schulsystem funktioniert vor allem bei behüteten Kindern, nicht bei komplizierten Fällen. Daran muss sich endlich etwas ändern.

Schon wieder also eine schlechte Note für das Bildungssystem, dieses Mal geht es um die Schulabbrecher. Davon gibt es in Deutschland besonders viele, EU-weit liegen wir auf dem zweifelhaften Platz vier. Aber es ist ja auch nur logisch: Wenn die Leistungen der deutschen Schülerinnen und Schüler in den Kernfächern im internationalen Vergleich (Pisa 2022) kaum den Durchschnitt erreichen, bleiben auch ziemlich viele ganz auf der Strecke – und brechen die Schule ab.

Bis es so weit ist, kommen viele Faktoren zusammen: Jungen und Mädchen schaffen den Schulstoff nicht. Den Eltern fehlt das Wissen, das Geld und/oder auch der Wille, das Kind ausreichend zu unterstützen. Gleichzeitig lockt der schnelle Verdienst. Ob als Kellnerin, Bauarbeiter, Kurierfahrerin oder Lagerist: Offene Stellen gibt es auch für Ungelernte ohne Schulabschluss. Warum dann richtig pauken? Wenn das Elternhaus nicht mitspielt, wird es obendrein schwierig, an Jugendliche heranzukommen, die straucheln. Unser Bildungssystem ist auch gar nicht auf die eher komplizierten Fälle ausgerichtet: auf Kinder aus bildungsfernen Familien.

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Unser Schulsystem funktioniert vor allem beim behüteten Kind mit Eltern, die es unterstützen und motivieren, so gut sie nur können. Die Zeit, Muße und vor allem das Wissen mitbringen, bei den Hausaufgaben zu helfen oder die Nachhilfe bezahlen können. Eltern, die vorleben: Wenn du dich anstrengst, kannst du ein gutes Leben führen. Unter diesen Voraussetzungen spielt es übrigens auch kaum noch eine Rolle, ob in der Familie Deutsch gesprochen wird oder nicht.

Wer motiviert ist, schmeißt nicht so schnell hin

Tatsache ist: Der Bildungserfolg eines Kindes liegt in Deutschland stärker als in vielen anderen Ländern in der Hand der Eltern – und das macht das System so ungerecht. Seit 2001, seit der ersten Pisa-Studie vor 23 Jahren, wird Deutschland von den OECD-Ländern immer wieder ermahnt, diesen Zusammenhang endlich effizient zu bekämpfen.

Birgitta Stauber ist Redakteurin in der FUNKE Zentralredaktion.
Birgitta Stauber ist Redakteurin in der FUNKE Zentralredaktion. © Berlin | Reto Klar

Längst gibt es Handlungsempfehlungen in Form von Studien, wenn es darum geht, die Chancen von Kindern aus bildungsfernen Familien zu verbessern und die Schulabbrecherquote zu verringern. Der automatische Kita-Platz etwa. Die frühe Einbindung der Eltern. Gemeinsames Lesen, erzählen, spielen. Förderprogramme von der Vorschule bis zur Sekundarstufe. Entlastung bei den Hausaufgaben. Und vor allem: Motivation herstellen. Ohne Motivation gibt es schließlich keine Leistung. Wer nicht motiviert ist, sich auch mal eine Weile anzustrengen für Schule und Ausbildung, schmeißt schneller hin.

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Und auf diese Handlungsempfehlungen folgen auch durchaus Projekte in diese Richtung – und zwar seit Jahrzehnten. Doch so wie sich politische Mehrheiten ändern, so ändern sich eben auch die Schwerpunkte. Über Bildung diskutiert wird viel, Schulformen gibt es unzählige. Dass die Bildungshoheit bei den Ländern liegt, macht es nicht einfacher. Zwar liegt die Frage der Bildungsgerechtigkeit inzwischen durchaus im Zentrum der Politik von Bund und Ländern, doch beide Seiten verhaken sich in Fragen der Finanzierung. Immerhin haben sich jetzt aber Bund und Länder durchgerungen, in den kommenden Jahren mit 20 Milliarden Euro 4000 Brennpunktschulen zu fördern. Das Programm wird als bildungspolitische Trendwende beworben..

Tatsächlich ist der Druck riesig. Es kann ja auch nicht sein, dass wir dauerhaft zwölf Prozent der Jugendlichen sich selbst überlassen, statt sie vor einer Zukunft mit unsicheren und schlecht bezahlten Beschäftigungsverhältnissen sowie einem Abrutschen ins Bürgergeld zu bewahren. Das ist schlecht für den Wirtschaftsstandort, dem mehr und mehr der Fachkräftemangel zu schaffen macht, schlecht für den Sozialstaat und nicht zuletzt unwürdig gegenüber der jungen Generation.

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