Berlin. Per Gesetz dürfen Täter in dem afrikanischen Land seit Kurzem „entmannt“ werden. Auch in Deutschland ist solch ein Eingriff möglich.

Ein neues Kastrationsgesetz sorgt für angespannte diplomatische Beziehungen zwischen der Regierung Madagaskars und der Europäischen Union. Das Außenministerium von Madagaskar sei unzufrieden mit der Kritik der EU-Botschafterin Isabelle Delattre Burger an dem Gesetz, erklärte eine Sprecherin der EU-Kommission. Man fordere, die Diplomatin auszutauschen. Burger hatte das Gesetz zuvor als „verfassungsfeindlich“ bezeichnet. „Ich denke nicht, dass eine chemische oder eine tatsächliche Kastration eine abschreckende Lösung ist“, hatte Burger erklärt.

Ende Februar hatte das Verfassungsgericht einen Gesetzentwurf gebilligt, demzufolge Täter, die Kinder unter 13 Jahren sexuell missbraucht haben, operativ kastriert werden sollen. Eine chemische Kastration lehnten die Richter ab, weil diese rückgängig gemacht werden könne. Zuvor drohte Tätern bei Kindesmissbrauch lediglich eine Strafe von fünf Jahren Haft. Mit dem Gesetz wolle das Land gegen die Zunahme von Vergewaltigungen bei Kindern auf der Insel ankämpfen, erklärte Justizministerin Landy Randriamanantenasoa.

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Auch Amnesty International kritisiert in einer Stellungnahme das umstrittene Gesetz. Sprecherin Tigere Chagutah bezeichnete die Kastration als eine „grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung“, die sowohl im Widerspruch zur madagassischen Verfassung stehe, als auch zu internationalen Menschenrechtsstandards.

Kastration von Sexualstraftätern auch in der EU noch möglich

Tatsächlich ist die Kastration von Sexualstraftätern auch in vielen Staaten der EU möglich, allerdings meist auf freiwilliger Basis. Häufig winkt eine frühzeitige Haftentlassung als Anreiz. Auch in Deutschland können sich Sexualstraftäter, die älter als 25 Jahre sind, freiwillig kastrieren lassen. 2017 kritisierte die Anti-Folter-Kommission der EU, dass Häftlinge berichtet hätten, sie seien vom behandelnden Arzt unter Druck gesetzt worden, in die Behandlung einzuwilligen.

Bei der chirurgischen Kastration von Sexualstraftätern (auch Orchiektomie genannt) werden beide Hoden entfernt, der Eingriff kann nicht rückgängig gemacht werden. Bei der chemischen Kastration werden in regelmäßigen Abständen Medikamente eingenommen, die die Produktion von Sexualhormonen unterdrücken und die Libido senken. Nach Angaben der Historikerin Annelie Ramsbrock hat sich der Fokus auf die psychologische Behandlung verschoben. Kastration wird heutzutage von Experten vor allem als letztes Mittel gesehen, um Menschen vom Begehen von Sexualverbrechen abzuhalten, aber auch als unmenschliche Strafe.

Außerdem wurde bemängelt, dass in Deutschland weiterhin die chirurgische Kastration möglich ist, die allerdings laut Bericht in den Jahren 2013 bis 2015 nie zur Anwendung kam. Es würde sich dabei „um einen verstümmelnden und irreversiblen Eingriff“ handeln, begründet die Kommission ihre Ablehnung. Neben Tschechien ist Deutschland das einzige EU-Land, in dem chirurgische Kastration möglich ist, ebenfalls auf freiwilliger Basis.

In Polen kann die Kastration sogar zur Pflicht werden, wenn Täter das Gefängnis wieder verlassen wollen. Der EU-Staat machte die chemische Kastration 2009 zur Voraussetzung, damit Kinderschänder wieder aus der Haft entlassen werden können. In Ländern wie Russland, der Republik Moldau und einigen US-Bundesstaaten können Kinderschänder sogar gezwungen werden, sich kastrieren zu lassen. Indonesien ist im Umgang mit Sexualstraftätern besonders hart. Neben erzwungener Kastration ist auch die Todesstrafe möglich.